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„Schneebrunzeri” „Rotzlöffel”, „richtige Sau”

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Drei Schimpfwörter drei Politiker: Kreisky - Luther -Schüssel. Ob's übrigens der Außenminister wirklich gesagt hat, ist längst unerheblich geworden, da ihn der sommerlich unausgelastete Medienbetrieb mit Vergnügen zum virtuellen „Ungeheuer von Loch Ness” installiert hat.

Die in Österreich eingewanderte focussierte Nachricht vom „Schimpfer Schüssel” hat auffälligerweise die Bevölkerung, für die Schimpfen bekanntlich zu einem Stück unaufgeb-barer Lebensqualität gehört, nicht gerade erschüttert. Anders ein moralinsaurer Journalismus, der sich nicht einmal im Freistaat Bayern, wo das Götzzitat als Synonym für „nein” gilt, edle Empörung verkneifen konnte. Und ebenso puritanische Politiker hierzulande, die Österreich eher durch Schimpfwörter als durch blaue Bewältigungseuphemismen gefährdet sehen.

In einem profil-Kommentar heißt es erfrischend exakt: „Warum darf Wolfgang Schüssel nicht, was Bruno Kreisky ungestraft tat? Ist ,richtige Sau', ,Trottel' und ,Kümmeltürk' untragbarer als ,Schneebrunzer', ,Schleimscheißer' und ,Verrückter'? Wird nicht hier mit verschiedenen

Maßstäben gemessen? Es wird. Und mit Grund. Kreisky machte Politik. Wenn er über jemanden im trauten Kreis schimpfte, dann hatte das immer sein Pendant in einer Kritik, die er auf öffentlicher Politbühne - dann in angemessener Tonart - äußerte.”

Luther hat zugegeben, daß er mit „Schweinespießen sticht”. So rät er Herzog Heinrich von Wolfenbüttel: „Du solltest nicht eher ein Buch schreiben, du hättest denn einen Furz von einer richtigen Sau gehört...” Luther zögerte nicht, den theologischen Gegner Eck „Dr. Dreck” zu nennen, Cochläus „Kochlöffel” oder „Rotzlöffel”, Thomas Müntzer einen „Leibhaftigen Teufel” und Erzbischof Albrecht von Mainz einen „Scheißpfaffen”. Aber in „angemessener Tonart” sagte er: „Meine Person taste an, wer da will. Ich gebe mich für keinen Engel aus. Aber wenn es um meines Nächsten und meine Seligkeit in Gottes Lob und Ehre geht, will ich lieber offen sein und niemand mit Schmeichelei täuschen.” Fazit — unser Außenminister sollte schleunigst den Chef der deutschen Bundesbank und diverse EU-Politiker laut und in „angemessener Tonart” kritisieren, dann soll er ruhig schimpfen.

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