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Feministisch

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Um Himmels willen, gibt es über-haupt so etwas wie "Feministische Philosophie"? Um den Vorbehalt zu präzisieren: Was sollen die all-gemeinen Fragen der Philosophie, etwa nach dem Sein von Welt und Mensch, einem letzten Ziel, dem Sinn allen Handelns, den Bedin-gungen unseres Erkennens und so fort mit der Diskriminierung der Frau zu tun haben?

Dieses altbekannte Argument läßt sich bestenfalls noch innerhalb eines sehr reduzierten Philosophie-begriffs halten, der fast völlig auf eine kritische Rückbindung an gesellschaftliche Phänomene ver-zichten zu können glaubt und sich dadurch selbst ins Abseits stellt.

Ein solches Phänomen ist zwei-fellos die schrittweise Analyse der Lage der Frau - und zwar in allen Bereichen - also warum nicht auch in der Philosophie? Vorbereitend dazu könnte die Studie von Ursula Beer dienen: "Geschlecht, Struktur, Geschichte" ist eine ausgezeichnete Einführung in die "soziale Konstituierung des Geschlechter-verhältnisses" - wiewohl dieAuto-rin von soziologischen Daten ausgeht, überwiegt doch der interpre-tative, und das heißt der emanzipa-torische Ansatz: das Kapitalverhältnis erscheint dann als die bisher entwickelte Stufe patriarcha-ler Gesellschaften.

Der zweite hier anzuzeigende Band stellt in 13 Beiträgen aus-drücklich die "Feministische Phi-losophie" vor. Die Herausgeberin, die Wiener Philosophin Herta Nagl-Docekal, denkt dabei in ihrer sehr informativen Einleitung nicht an eine "Disziplin" unter anderen, wenn sie gleichsam definiert: "Feministisches Philosophieren ist ... Philosophieren am Leitfaden des Interesses an der Befreiung der Frau". Vorausgesetzt ist hier na-türlich ein erweitertes Verständnis von Philosophie, das diese wieder in den Kontext gesellschaftlicher Prozesse stellt.

Neben der ausführlichen Einlei-tung setzten die Autorinnen in ihren Originalbeiträgen (vier davon in englischer Sprache) folgende Schwerpunkte: "Die Frau im pa-triarchalen Denken", "Postmoderne Subjektkritik und feministisches Interesse", " Feministische Wissen-schaftstheorie", "Feministische Ethik" und "Befreiung als Ziel fe-ministischer Philosophie".

Ohne einzelne Beiträge hervor-heben zu können, darf dieser Sam-melband insgesamt wohl als gelun-gene, niveauvolle Einführung in den gegenwärtigen Stand der Diskussion um die " feministische Philosophie" gelten.

GESCHLECHT, STRUKTUR, GESCHICHTE. Soziale Konstituierung des Geschlechterverhältnisses. Von Ursula Beer. Campus Verlag, Frankfurt/Main 1990. 331 Seiten, öS 300,30.

FEMINISTISCHE PHILOSOPHIE. Herausgegeben von Herta Nagl-Docekal. R. Oldenbourg Verlag, München/Wien 1990. 284 Seiten, öS 296,40

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