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„Fescher Chauffeur44

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Am 10. Juli 1973 wird die britische Kolonie Bahamas zum unabhängigen Commonwealth-Mitglied.

Die neue Nation bezieht 70 Prozent der Einkünfte aus dem Fremdenverkehr, obwohl auch heute nur 20 der 700 Inseln dem Tourismus erschlossen sind. 40.000 der 168.000 Baha-mians (85 Prozent sind Schwarze) verdanken der Fremdenverkehrsindustrie ihren Lebensunterhalt. Amerikanische Touristen stellen das Hauptkontingent der Besucher — und Bimini, die westlichste Insel, ist kaum 50 Meilen von dem US-Bundesstaat Florida entfernt; aber auch über 110.000 Kanadier besuchten im Vorjahr die Bahamas.

Obwohl der „Schwarze Nationalismus“ der von Premierminister Lyn-den Pindling geführten Regierung mitunter irritiert, blüht der Fremdenverkehr. Im Vorjahr kletterte die Zahl der Touristen auf 1,511.858, um 3,3 Prozent mehr als 1971.

Wenn der Winter wie jetzt sein eisiges Hemd auf viele Gebiete Kanadas und der USA legt, setzt eine Flucht der Sonnenanbeter zu den Bahamas ein. Die Hochsaison währt vom Jänner bis März; September und Oktober gelten als die stillsten Monate. Wegen der enormen Bedeutung des Fremdenverkehrs für die Inseln des ewigen Juni — ein hüb-

Scheinfirmen in Nassau: Publicity für den Juni scher Slogan, der dem Klima seinen Tribut zollt — widmen die Bahamas der Publicity ein besonderes Augenmerk. Ein früherer Crackreporter des „Kansas City Star“ rührt nun die Werbetrommel für die türkisblauen Fluten und den perlweißen Strand.

Die Bahamas sind zudem als eine Art „Steuerparadies“ weltbekannt. Sie sind ein (fast) steuerfreies Gebiet, indem es weder Einkommensteuer noch Erbschaftssteuern gibt. Es entbehrt nicht einer gewissen Pi-kanterie, daß auch der frühere kanadische Finanzminister Donald Fleming, der noch im Jahre 1962 die Einwohner des zweitgrößten Landes der Erde kräftig besteuerte, nun hier lebt. Schon hat die bevorstehende Proklamierung der Unabhängigkeit der Bahamas zu einem gewissen Kapitalabfluß geführt — zum Großteil zu der Grand Cayman Insel, einer winzigen britischen Kolonie, südlich von Kuba.

Als Castro in Kuba an die Macht kam, begünstigte dies die Inseln des ewigen Juni. Ein ähnliches Phänomen ereignet sich nun (vor der Geburt der Nation Bahamas) auf der Grand Cayman Insel. Schon gibt es in dieser britischen Mini-Kolonie — auch ein Paradies der (unwilligen) Steuerzahler — nicht weniger als 5000 Firmen, die davon profitieren.

Was die bevorstehende Proklamierung der Unabhängigkeit betrifft, hat ein Humorist behauptet, sie versetze die Bahamas in eine ähnliche Lage wie die Millionärsgattin, die in ihren feschen Chauffeur verliebt ist. Einerseits gehe derart ihr Herzenswunsch in Erfüllung — anderseits werde wohl ihr bisheriger, hoher Lebensstandard darunter leiden ...

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