Skizzen aus dem Makart-Um-zug in der Hermesvilla in Wien: ein Bilderbogen mit wahrlich absonderlichen Figuren zieht sich durch den Raum: die mittelalterlichen Zünfte in historischen Kostümen schreiten einher, dahinter tummeln sich leicht gekleidete Damen mit riesigen Federhüten, dann folgt ein Studentencorps in Galauniformen. Prunklust und Glanz der Donaumonarchie werden für Sekunden lebendig.
„Wien im Jahre 1879“ ist das Thema einer Ausstellung, die jetzt in der Hermes-Villa im Lainzer Tiergarten gezeigt wird. Wien vor hundert Jahren: damals feierte man mit einem gigantischen Um-1 zug das silberne Hochzeitsjubi-läum des Kaiserpaares. Damals porträtierte Hans Makart, der Salonmaler, die edlen Antlitze hochgestellter Damen und Opernlieblinge.
Damals ließ Kaiser Franz Josef auch die Stadtmauer schleifen und zu einer Pracht-Avenue ausbauen: Die Universität und das Rathaus, die Börse und das Burgtheater, das Parlament und die Votivkirche wurden errichtet. Die krisengeschüttelte Donaumonarchie sonnte sich noch einmal in üppigem Glanz. ,
Jenseits des Rings aber herrschte entweder die idyllische Stille eines späten Biedermeiers oder das Elend der Vorstädte und der Zinskasernen.
Genau dieses Bild spiegelt auch die Ausstellung in der Hermes-Villa wider: In dem einen Raum läßt man sich von den eleganten Toiletten der Hofdamen betören, im nächsten springt die Not der Bürger entgegen: Illustrationen und Photos von Waisenhäusern, von Arbeitern, die vor den Fabrikstoren Schlange stehen, von öffentlichen Verköstigungen.
In 19 Ausstellungszimmern präsentiert sich Wien als totale Stadt: vom üppig ausgestatteten Schlafzimmer der Kaiserin Sissy bis zur Bassena-Wohnung in Favoriten, von glanzvollen Diners in Herrschaftspalais bis zur Armen-ausspeisung in einer Großküche.
Dadurch wird Geschichte lebendig: als Kette von Widersprüchen und menschlichen Schwächen.
