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Flucht

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„Deutschland hatte in seiner halben Million Juden Bürger hervorgebracht, die nach der Emanzipation ihr Höchstes darin sahen, treue Diener ihres Vaterlandes zu sein.” Das schrieb eine in München geborene Jüdin, die ihr halbes Leben glücklich in Süddeutschland verbracht hatte und dann durch den Nationalsozialismus zur Flucht nach Amerika gezwungen war. Bis zu Hitlers Machtergreifung hatten viele deutsche Jüdinnen teils im Familienkreise, teils in aktiver Sozialarbeit, im Kampf für das Frauenrecht, oft auch auf politischer Ebene ihre Lebensaufgabe gesehen, wie die in Buchform gesammelten „Erinnerungen deutschjüdischer Frauen 1900-1990” ihren Lesern vor Augen führen.

Wie hart diese Frauen von der Unterdrückung und Verfolgung seit 1933 getroffen wurden, wie sie deportiert wurden, wie andere auf der Flucht durch die französischen Alpen irrten oder illegal nach Palästina gelangten oder in die Fremdheit von Shanghai verschlagen wurden, das liest man voll Ergriffenheit. Was dagegen eine DDR-Parteitagsrede von Anna Seghers in dieser Auswahl soll, erscheint fraglich. Es sei denn, die von mehreren Autorinnen geschilderten Aktivitäten für den Kommunismus hätten auch den Herausgeber allzu linkslastig werden lassen, wie die (leider oft willkürlich redigierten) Anmerkungen vermuten lassen.

Dennoch: man erkennt, welch hartes Schicksal die deutschen Jüdinnen hinnehmen mußten, wie sehr sie - im Exil oder nach der Rückkehr - darum ringen mußten, wieder ein unbelastetes Verhältais zu ihrer alten Heimat (BRD oder DDR) zu finden. Erschütternde Berichte lassen das Buch zum Erlebnis des Nachdenkens werden.

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