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Folgen eines Irrtums

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An der Spitze dieses Werkes steht eine erschütternde Auflistung von politischem Mord und Selbstmord, die in den Reihen einer ursprünglich kritischen, dann in den Bannkreis marxistischer Ideologie geratenen Schriftstellern furchtbar wüteten: Jürgen Rühle, ehedem Wortführer intellektueller Opposition in der DDR, vermittelt in seinem neu aufgelegten und erweiterten Buch ein vielschichtiges und tiefgründiges Panorama einer Tendenz, die, ausgezogen zur Weltumwälzung, an ihren eigenen Widersprüchen zerbrach.

Rühles differenziertes und detailreiches Werk, aus dem eigenes Erleben spricht, beleuchtet aus russischer, deutscher und internationaler Perspektive den zur Jahrhundertwende einsetzenden Organisationsprozeß der Intelligenz; er macht den moralischen und geistigen Ursprung politischen Engagements ebenso sichtbar wie Entfremdung, Persönlichkeitsspaltung und künstlerisches Scheitern als Resultate einer bis zur Selbstverleugnung reichenden Unterwerfung.

Revue passieren die bitteren Anklagen Enttäuschter: Gorkis Abgesang der Revolution, Samja-tins Vision des Kollektivismus, Andre Gides radikale Abrechnung mit der bürokratischen Diktatur im Jahre 1936. Mag man auch in einigen Aspekten mit dem Autor nicht übereinstimmen — so verfaßte Brecht gewiß ein größeres Quantum antireligiöser Literatur als das von Rühle behauptete eine Gedicht -, man wird nicht umhin kommen, das im Ton kühle, im Inhalt packende Werk jedermann zu empfehlen.

LITERATUR UND REVOLUTION. DIE SCHRIFTSTELLER UND DER KOMMUNISMUS IN DER EPOCHE LENINS UND STALINS. Von Jürgen Rühle. Mit einem Vorwort von Manes Sperber. Kiepenheuer & Witsch. Köln 1988. 648 Seiten, geb.. öS 764,40.

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