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Fundamentalismus

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Mit vorliegendem Buch ist ein wichtiger Beitrag zur zeitgenössischen Geschichte und vor allem zum Verständnis für etwas den meisten schwer

zu Verstehendem, erschienen: Wie kommt es, daß im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts viele Dutzende Millionen Menschen plötzlich zu „ihrer" Schrift Wort für Wort zurückkehren, sei es nun der Koran oder das Alte oder Neue Testament? Es ist eine Massenbewegung, mit der der Fundamentalismus um sich greift und siegreich, so scheint es, immer weiterschreitet. Der Sturz des Schahs und das Phänomen Khomeini waren nur der erste überraschende Ausdruck einer schicksalhaften Bewegung innerhalb, und gerade innerhalb, der drei monotheistischen Weltreligionen. Während über den vielleicht am politisch gefährlichsten mohammedanischen Fundamentalismus bereits viel geschrieben wurde, sind gerade die Versuche in der christlichen Welt interessant, wenn auch politisch und gesellschaftlich relativ unbedeutend. Kepel schreibt über die „Rechristia-nisierung Westeuropas", über die „Kritik an der vorherrschenden Kultur", über die italienische „Comunio-ne e Liberazione", über Erneuerungsversuche der polnischen und tschechischen Kirche. Auch die USA, in der die Fernsehprediger zu einem festen gesellschaftlich-einflußreichen Phänomen wurden, werden ausführlich erwähnt.

Was Israel und das Judentum betrifft, ist der Verfasser zwarein scharfer Analytiker, trifft aber trotzdem nicht den Nagel auf den Kopf. Dabei verliert er sich allzu sehr in Details, und beachtet zu wenig den allgemeinen sozialökonomischen und gesellschaftlichen Trend.

Was kann die westliche Welt gegen

diesen Vormarsch des Fundamentalismus unternehmen? Nicht viel, wenn man dem Verfasser folgt. Dies ist zwar nicht das Thema des Buches, aber mit dieser bangen Frage müßten sich die besten Denker und Köpfe dringendst und eindringlichst befassen. Kepels Buch löste eine intensive intellektuelle und religiöse Debatte in Frankreich aus und dürfte dies auch in anderen Ländern tun. Kepel (Jahrgang 1955) ist Professor am Institut für politische Studien in Paris. Er gilt in Frankreich als einer der besten Kenner des Islam.

DIE RACHE GOTTES. Von Gilles Kepel. Piper Verlag, München 1991. 316 Seiten, öS 310,40.

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