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Geburt Europas

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Ist der Übergang vom Tardoantico, der Spätantike, zum Frühmittelalter durch Kontinuität oder durch einen Bruch gekennzeichnet? Beschreiben Begriffe wie Niedergang, Dekadenz, „finstere Zeit", Anarchie und Barbarei zutreffend die Periode vom 5. bis 8. Jahrhundert, oder handelt es sich um ein Vorurteil der Wissenschaft?

Michel B anniard neigt in seiner Kulturgeschichte Europas von 476 bis 774 zu letzterer Auffassung. Er plädiert dafür, von einer „Übergangsund Regenerationszeit", vom „Prolog zur Geburt des Mittelalters" zu sprechen. Die These entfaltet der französische Historiker in sieben Kapiteln. Das zweite erstellt ein Inventar der kulturellen Einheiten zur Zeit des Untergangs des römischen Imperiums; es enthält einen interessanten Abschnitt über das Schreibgerät und -material der Epoche. Das dritte Kapitel analysiert die „Schutzmächte", mit deren Hilfe Kultur und Wissen weitergegeben wurden. Besonders betont Banniard die „kulturellen Reservate" wie vor allem Ravenna. Die einzelnen Stadien der Entwicklung in Gallien, Spanien, Italien und Britannien schildert das vierte Kapitel.

Literaturgeschichtliches bietet der Abschnitt über die literarischen Schlüsselfiguren und Vermittler wie Boethius, Gregor von Tours und Beda Venerabiiis. Augustinus erscheint als „Minenräumer" im Feld des heidnischen Glaubens, indem er ihn als Produkt des menschlichen Handelns entlarvt und damit seine Integration in die christliche Lebensform ermöglicht. Im Ausgang vonder Frage: „Wie lange ist Latein eine lebende Sprache geblieben?" zeichnet das sechste Kapitel die sprachlichen Metamorphosen des frühen Mittelalters unter dem Aspekt der Kommunikation nach.

EUROPA. Von der Spätantike bis zum frühen Mittelalter. Von Michel Banniard. Mit einem Vorwort von Pierre. List Verlag, München/ Leipzig 1993. 259 Seiten, öS 375,-.

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