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„Gegen"-stände

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Wenn man sich, von schweren Träumen affiziert, morgens sein Frühstück bereiten möchte, und die betreffenden Verrichtungen unversehens in mittlere Haushaltskatastrophen umschlagen, da alle Dinge zu rebellieren scheinen, schwappt das prälogische Denken einstiger Naturvölker plötzlich wieder ordentlich über den Rand der Aufklärung. Denn aus der Fakti-zität des Dings entfaltet sich ein Aufstand des Gegenstandes. Das scheinbar beseelte Objekt „lauert" wie das Friedrich Th. Vischer in seinem hintersinnigen Roman „Auch Einer" (1879) beschrieben hat.

Die Tücke des Objekts als Paradigma für die allgemeine Fatalität unseres im Grunde genommen unbe-herrschbaren Alltags - das ist ein weites Feld für Satiriker und Sprachphilosophen. Der Niederösterreicher Herbert J. Wimmer hat sich dieser Aufgabe sehr gewandt und phantasievoll unterzogen. Wimmer, durch manch gelungenes Hörspiel längst kein Unbekannter mehr, entwickelt in seinem Buch „Nervenlauf ein makabres Bestiarium der revoltierenden Gegenstände, angefangen vom Toaster bis hin zum Röntgenapparat. Von beträchtlichem avantgardistischen Sprachwitz durchdrungen, verschieben sich die Perspektiven zwischen Ding und Mensch in den 303 Kurzsequenzen quasi stereoskopisch, sodaß dadurch der gewohnte Weltzusammenhang gänzlich zu Bruch geht. Doch am gefährlichen Grat ist auch Lichtung. Zur „heizdecke" bemerkt der Autor zum Beispiel lapidar: „ich bin defekt, sagt das Objekt, ich auch, antwortet das kind." Grausam, aber leider nur zu wahr.

NERVENLAUF. Prosa aus dem gefahrlichen Alltag. Von Herbert J. Wimmer. Edition Falter imÖBV.Wien 1990. 170 Seiten, öS 198,-.

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