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Geschichte im Brennpunkt

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Im Brennpunkt der beiden Stücke des Schweizer Dramatikers Urs Widmer steht jeweils ein geschichtliches Ereignis. Zum einen die Jugendrevolutionen von 1968; zum anderen Hans Frölicher, Schweizer Gesandte in Berlin von 1938 bis 1945, der daran mitwirkte, die Schweiz aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten.

1968 - die Kinder gehen auf die Straße, demonstrieren für eine neue Welt. Die Eltern sitzen zu Hause und schauen fern, der Vater trinkt Bier, die Mutter strickt. Im Fernsehen läuft „Ödipus sixty-eight", ein experimentelles Stück aus der Reihe „Theater unserer Zeit live". Die Kinder stürmen die Fernsehstation und rufen zur Revolution auf. Irreales wird zum Realen. Die Familie von „Ödipus sixty-eight" vermischt sich mit der Familie zu Hause vor dem Fernseher.

In reizvoller Form werden die acht Personen, von vier Schauspielern gespielt („So ist die Welt. Immer wenn einer auftritt, tritt auch einer ab"), von Widmer ins Drama eingebunden. Nach 20 Jahren wiederholt sich der Abend. Nichts hat sich verändert, die Welt von damals hat noch immer Bestand. Nur die Aufbruchsstimmung, die hat keinen Platz mehr. Statt auf die Straße zu gehen und zu revol-

tieren, geht man in den Zoo.

1991 - Zwei Kellner bauen eine Festtafel auf - „Das Stück wird diese Arbeit immer wieder (zer)stören. Aber am Schluß werden die Kellner es doch geschafft haben." Das Drama springt von 1991 in die vierziger Jahre - Die Verhandlungen des Schweizer Gesandten Hans Frölicher mit Deutschland (repräsentiert durch Vater und Sohn namens von Weizsäcker) - und wieder zurück. Dabei erhalten die beiden Kellner von 1991 jeweils eine kommentierende Rolle. Es wird nicht die Geschichte, sondern viel mehr eine Antwort der Gegenwart auf die Geschichte wiedergegeben.

DER SPRUNG IN DER SCHÜSSEL/FRÖLICHER - EIN FEST. Von Urs Widmer. Verlag der Autoren, München 1992. 120 Seiten, öS 187,20.

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