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Geschiedene und Kirchschläger

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Rund um die Pfingstfeiertage mobilisierten die Studenten ihre Anhänger: Für das sozialistische Lager war mit dem Nixon-Besuch in Salzburg die Zeit des Demonstrierens gekommen, und die „Parolenschmiede” verbissen sich in der amerikanischen Vietnam-Politik. Wie es sonst im Lager der SP-Studenten aussieht, wird kaum in aller Öffentlichkeit behandelt, die „Beschäftigungstherapie” mit organisationsfremden Parolen überdeckt offenbar die innere Uneinheitlichkeit.

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Rund um die Pfingstfeiertage mobilisierten die Studenten ihre Anhänger: Für das sozialistische Lager war mit dem Nixon-Besuch in Salzburg die Zeit des Demonstrierens gekommen, und die „Parolenschmiede” verbissen sich in der amerikanischen Vietnam-Politik. Wie es sonst im Lager der SP-Studenten aussieht, wird kaum in aller Öffentlichkeit behandelt, die „Beschäftigungstherapie” mit organisationsfremden Parolen überdeckt offenbar die innere Uneinheitlichkeit.

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Ganz im Gegensatz dazu haben auch heuer wieder die ÖCV-Hoch-schülei und die MKV-Mittelschüler mit der „Bereinigung” innerer Probleme, die aber nicht ohne Auswirkungen auf die Öffentlichkeit geblieben sind, ihre Jahrestagungen über die Bühne gebracht.

Die Cartellversammlung des ÖCV in Weißenbach am Attersee erregte das Interesse vor allem durch die Diskussion, ob es Mitgliedern möglich sein soll, trotz Scheidung und Wiederverheiratung weiter dem Verband anzugehören. In den Grundsätzen ist nämlich das Bekenntnis zur katholischen Kirche bislang auch so angewendet worden, daß bei vollzogener Scheidung eine Wiederverehelichung einen Ausschlußgrund aus dem ÖCV darstellte. Aber wie das nun einmal der Fall ist, wurde das „eiserne Gesetz” nicht selten übergangen.

Nach heftigen Diskussionen ist es nunmehr zu einer neuen Haltung des CV gekommen. Der Weiterverbleib ist auch nach einer Wiederverheiratung möglich. Diese Tatsache wurde in der Öffentlichkeit, da von einem katholischen Verband sanktioniert, mit besonderer Beachtung bedacht. Und in der Berichterstattung war unterschwellig herauszuhören, daß sich der Carlellverband nun generell zur Scheidung im katholischen Lebensbild bekennt.

Allerdings war die Entscheidung des CV zwar revolutionär für das katholische Lager, nicht aber so zu verstehen, wie man es zu interpretieren versuchte: Die Wiederverheiratung nach einer geschiedenen Ehe soll nämlich für CVer nicht ausnahmslos, sondern nur in besonderen Fällen mit der Verbandsmitgliedschaft vereinbar sein: Wenn beispielsweise ein Verbandsangehöriger unschuldig geschieden wird und noch Kinder durch ihn zu versorgen sind, dann soll dem CVer bei einer neuen Ehe nichts in den Weg gelegt werden. Von einem grundsätzlichen Freibrief zur Ehescheidung will man allerdings im CV auch nach der Weißenbacher Debatte nichts wissen.

Anders hält es der MKV: Auch bei ihm stand die „Scheidung” im Mittelpunkt der Pennälertagung in der niederösterreichischen Donaustadt Tulln. Allerdings nicht die Ehescheidung, sondern die Trennung von einem MKV-Mitglied. Obwohl nicht auf der Tagesordnung der Beratungen, war der Pennälertag durch die Diskussion über die Mitgliedschaft des österreichischen Außenministers Dr. Kirchschläger beim MKV gekennzeichnet. Kirchschläger, seit den dreißiger Jahren Mitglied der MKV-Verbindung „Waldmark”-Horn, hat durch seine Teilnahme am SPÖ-Par-teitag in Villach selbst die Debatte über sich eröffnet. Bei seinem Amtsantritt hat er nämlich seinen Freunden im MKV versichert, daß er an keinen SPÖ-Veranstaltungen teilnehmen werde und sich damit nicht in Widerspruch zu den MKV-Beschlüs-sen stellen wolle, die eine Unterstützung der SPÖ — sowie die Parteimitgliedschaft — untersagen.

Wie gesagt: Seine zwei Jahre zurückliegende Erklärung hat Kirchschläger durch die Teilnahme am SPÖ-Parteitag ubergangen. Nun wurde am Pennälertag des MKV — weil nicht möglich — zwar Kirchschläger nicht aus dem Verband ausgeschlossen, es wurde ihm aber unverhüllt nahegelegt, selbst Konsequenzen zu ziehen. „Wer mit unseren Gegnern paktiert und ihnen hilft, ein Gesellschaftssystem zu errichten, das mit einem christlichen Weltbild schon gar nichts mehr zu tun hat”, hat zwar nicht — da bei Kirchschläger keine SPÖ-Mitglied-schaft vorliegt — formal die Grundsätze des MKV verletzt, „sich aber abgewendet”. Von Kirchschläger wird der „Mut” gefordert, sich für den MKV oder seine Mitgliedschaft in der SPÖ-Regierung zu entscheiden. Der Verband, so wird argumentiert, verbietet zwar beispielsweise seinem Mitglied, einer sozialistischen Zweckorganisation anzugehören, deshalb kann auch nicht geduldet werden, daß ein MKVer in einer SPÖ-Regierung mehr zur Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaftsordnung ohne Parteibuch beiträgt, als dies ein einfaches Parteimitglied je tun könnte. Insgesamt wurde die Stimmung laut: „Die Kleinen hängt man und die Großen läßt man laufen!”

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