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Gesichtsverlust

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Juan Marse, 1933 in Barcelona geboren, hat seine Karriere als Gelegenheitsarbeiter begonnen und sich mittlerweile zu einem der angesehensten Autoren der modernen spanischen Literatur emporgeschrieben. In seinem neuen Roman „Der zweisprachige Liebhaber” geht es um eine Beziehungskiste, aber keine Angst, der Autor hat sich schon etwas Besonderes einfallen lassen und bietet eine artistische Glanzvorstellung. Juan Mares (das einfache Anagramm verweist auf Autobiographisches) ist von seiner Frau Norma verlassen worden. Er kann den Trennungsschmerz nicht überwinden, versackt immer tiefer in den Gossen Barcelonas und schlägt sich als Tippelbruder und Stadtmusikant mühsam durch. Um seine Frau, die auf sogenannte „Charnegos” (dunkelhäutige Zuwanderer aus dem spanischen Süden) steht, zurückzugewinnen, verwandelt sich Juan mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kunst in einen abgerissenen, andalu-sischen Schuhputzer. Der Roman erzählt die Geschichte dieser Verwandlung.

Was als Scherz begonnen hat, wird zu einem raffinierten Spiel mit Masken und vertauschten Rollen, mit dem Verlust von Identität und Spiegelbild. Ein höchst gefährliches, vom Autor elegant und mit allerlei Zauberkniffen erzähltes Spiel, das zunehmend eine eigene Dynamik entwickelt. Der verschmähte Ex-Gatte unternimmmt alles, um als neuer Liebhaber zu reüssieren, sogar die Bauchrednerkunst und eine zweite Sprache eignet er sich an, bis er schließlich nicht mehr weiß, mit wessen Zunge er redet und wer eigentlich in ihm steckt.

Marse treibt ein anspruchsvolles, höchst amüsantes Vexierspiel mit dem Schein und Sein der spanischen Gesellschaft, die immer noch ihr eigenes Gesicht sucht, frei nach dem vorangestellten Motto Antonio Machados, das der Roman zirzensisch ausfabuliert: „Das Wesentliche am Karneval ist es nicht, sich eine Maske aufzusetzen, sondern sein Gesicht loszuwerden.”

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