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Gespräche, Gespräche

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Begegnungen geschichtlicher Persönlichkeiten, die nie stattgefunden haben, können auf dem Theater ihren Reiz haben. In der zweiaktigen Szenenfolge „Travesties“ des 39jährigen, von tschechischen Eltern stammenden Engländers Tom S t o p p a r d, die im Akademietheater zu deutschsprachiger Erstaufführung gelangte, begegnen einander während des Ersten Weltkrieges in Zürich Personen von erheblicher damaliger Zukunftsbedeutung, James Joyce und der rumänische Dadaist Tristan Tzara; Lenin ist im zweiten Akt fast dauernd auf der Bühne.

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Begegnungen geschichtlicher Persönlichkeiten, die nie stattgefunden haben, können auf dem Theater ihren Reiz haben. In der zweiaktigen Szenenfolge „Travesties“ des 39jährigen, von tschechischen Eltern stammenden Engländers Tom S t o p p a r d, die im Akademietheater zu deutschsprachiger Erstaufführung gelangte, begegnen einander während des Ersten Weltkrieges in Zürich Personen von erheblicher damaliger Zukunftsbedeutung, James Joyce und der rumänische Dadaist Tristan Tzara; Lenin ist im zweiten Akt fast dauernd auf der Bühne.

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Stoppard nahm als Zentralgestalt einen britischen Konsulatsbeamten Carr hinzu, der damals ebenfalls in Zürich lebte, in Rückblenden läßt er ihn sich seiner fiktiven oder wirklichen Beziehung zu den dreien entsinnen und rühmen. James Joyce hatte diesen Carr als Darsteller des Alger-non für eine Liebhaberaufführung von Wildes „Bunbury“ gewonnen, finanzielle Streitigkeiten zwischen ihnen wurden danach gerichtlich ausgetragen. Das Geringfügige, das sich in den beiden Akten begibt, erfahren wir gesprächsweise, ja, diese Szenenfolge besteht fast ausschließlich aus Gesprächen, in denen die Auftretenden prägnant ihre Ansichten kundtun, ihr Denken wird enthüllt, als Menschen bleiben sie ungestaltet, nahezu farblos.

Zwischen Joyce, Tzara und Carr geht es um Kunstfragen, Vortrefflich Formuliertes, Wesentliches wird geboten, aber wem die heutige vielschichtige geistige Situation besonders in den Bildkünsten vertraut ist, kennt das meiste des Gesagten. Lenin hält Reden vor uns ins Leere, die Geschichte seiner Fahrt nach Beginn der Revolution nach Rußland, die wir längst kennen, berichtet umständlich seine Frau, die Krupskaja. Mit Travestien hat das alles nichts zu tun. In Gesprächen, Berichten, Ansprachen erhalten wir also einen Lehrkurs über verschiedene Meinungen in Kunstfragen, über marxistische Probleme. Der Autor unterschätzt unser Wissen.

Um diesen Lehrkurs etwas „kulinarischer“ zu gestalten, benehmen sich die Auftretenden - es gibt noch zwei jüngere Weiblichkeiten - immer wie-, der wie Musicalgestalten, bewegen sich choreographisch, tanzen, einzelne singen. Das kommt beim Publikum an, um so mehr, als der Regisseur Peter Wood auch dafür die rechte Hand hat. Romuald Pekny gibt dem Carr Intellekt und Eitelkeit Michael Heitau ist ein sozusagen artifiziell degagierter Tristan Tzara, Wolfgang Gasser wirkt als James Joyce vehement und introvertiert zugleich. Kurt Sowinetz bietet ein fast deckendes Lenin-Porträt. Mit den Damen Annemarie Düringer, Elisabeth Augustin undMarikaAdam, sowie Johannes Schauer als Butler, ergibt sich eine treffliche Wiedergabe. Die Bühnenbilder von Carl Toms entsprechen Zeit und Ort Hilde Spiel schuf die vorzügliche deutsche Fassung.

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