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Gezeichnet

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Franz Schreker ist ein „Fall“, immer noch und nach dieser Frankfurter Premiere erst recht. Am 25. April 1918 wurde seine vielleicht bedeutsamste Oper „Die Gezeichneten“ am dortigen Opernhaus uraufgeführt; am 20. Januar 1979 wurde das Werk an der „Oper Frankfurt“ (so heißt das Haus seit Beginn der Ära Gielen) beim ersten Wiedererweckungsversuch nach dem Kriege in Grund und Boden inszeniert -und dennoch ein Erfolg. Ein Modellfall strikt professioneller, bohrend sachbezogener Arbeit im Musikalischen (am Pult, dem Hörensagen nach zunächst mit Widerstreben: Opernchef Michael Gielen) und „falschen Bewußtseins“ im Szenischen; ein Fall von merkwürdiger Ambivalenz, würdig im Grunde des erst Gefeierten, dann Verfemten, schließlich Verkannten oder Unbekannten, des somit selber „gezeichneten“ Franz Schrecker.

Gezeichnete sind in dieser vom Komponisten auch getexteten Oper alle, nicht nur die physisch oder psychisch deformierten Figuren - gezeichnet von den Torheiten einer orgiastisch verbrämten Kunstutopie; eine der vielen Untergangs-Visionen, in denen sich nicht zuletzt das1“ Weltkriegs-Menetekel niederschlug, eine Vision im Szenengewand der Spätrenaissance. Blanke Torheit war die Inszenierung von Hans Neufelds in den von der Regie bestimmten Bildern Dirk von Bo-discos; ein neues Zeichen wurde Schreker eingebrannt: der Trivialkomponist. Das ist richtig und falsch zugleich. In der Musik ist das Triviale als Kunstmittel verwendet - die Handlung ist nicht rivial. Neuenfels schichtete austauschbaren Kulturmüll auf, ließ wie auf der Analytiker-Couch frei seine Assoziationen spielen, arbeitete suggestiv-methodisch mit dem (stimmlich wie darstellerisch hervorragenden) Ensemble. Auf die Frage nach der Verbindlichkeit seiner Neurosen für das Publikum: „Da ich einer der bestbesuchten Regisseure Deutschlands bin, interessieren sich die Leute offenbar dafür.“ Blackout.

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