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Bestatten im Judentum

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Wenn es sich bei dem aktuellen Gräberfund im Bereich der Baustelle des in Lambach geplanten Kraftwerkes um jüdische Gräber gehandelt hätte, so würde es sicher die Pietät verlangen, die heute geltende, seit der talmudischen Zeit in der jüdischen Traditionsliteratur belegte Praxis zu beachten.

Im Schulchan Aruch (Jore Deah 363) wird zunächst der allgemeine Grundsatz aufgestellt, daß sterbliche Überreste nicht von dem Ort, wo sie ruhen, entfernt werden dürfen. Im babylonischen Talmud wird als Prinzip ausgesprochen (Erubin 17a): Ein Toter, der niemanden hat, der ihn bestattet, erwirbt gleichsam das Stück Boden, in dem er ruht, als sein bleibendes Eigentum.

Im Schulchan Aruch kommen zum allgemeinen Prinzip einige Ausnahmen, zunächst zwei ideelle Gründe, die eine Umbettung erlauben: Wenn jemand im Familiengrab bestattet werden soll oder eine Überführung ins Land Israel erfolgt. Dazu sagt der babylonische Talmud (Kettubot lila): „Wer im Israellande begraben ist, ist wie unter dem Altar begraben."

Gemäß der halachischen Praxis des Militärrabbinates wurden außerhalb Israels gefallene Soldaten mit der erklärten Absicht, sie erst endgültig in Israel zu bestatten, im fremden Land nur vorübergehend beerdigt. Das basiert auf einer Stelle im Jerusalemer Talmud (Erubin 1,10 19d): „An dem Ort, wo sie (die Soldaten) getötet wurden, müssen sie auch beerdigt werden." Sofort wird jedoch die Frage gestellt, ob man sie später umbetten darf. Die Antwort ist ein zögerndes Ja.

Wie ernst fromme Juden das Anliegen, die Ruhe der Toten nicht zu stören, nehmen, zeigt auch der Umstand, daß es in Israel schon mehrmals zu heftigen Demonstrationen gegen archäologische Ausgrabungen kam, von denen man befürchtete, daß sie jüdische Gräber tangieren könnten.

Der Autor ist

Ordinarius für Judaistik an der Universität Wien

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