Das erkennt meine Seele

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"Was will ich hier?", soll ich mich fragen, wo immer. Mein Mich-Bewegen an jedweden und in demselbigen Ort beinhaltet in jeder Jetztmaligkeit einen Auftrag: Kann mein Fremdsein der bereisten Stätte etwas bedeuten? Oder ist mein für privat gehaltener Tourismus nur die andere Seite einer weltweiten Zerstörungsindustrie, die zu gleicher Zeit in Fluchten aus Verfluchtem hetzt. In der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg schrieb Joseph Roth, "Fremde Touristen jagten wild durch die Stadt, brachen ein in die Stille der Kathedrale, peitschten ihre Blicke durch den Tempel und verschwanden wieder". Was für ein düsteres Verhaltensmuster sich hier doch abzeichnet. Ist das zwingend? Und überhaupt: Werden wir zu dem gezwungen, was ist?

Aus den Kriegen, die nicht enden wollen, geformt, schreibt Ingeborg Bachmann: "Ich habe weder eine Seele noch eine Kinderstube anzubieten." Ein wichtiger Satz, der zur Eingangsfrage passt. O ja, es gibt Erschreckendes, Entstellendes, Entsetzliches zu jeder Zeit. Aber was durch mich geschieht, ist von bedeutsamster und schönster Relevanz. Ob ich eine Seele anzubieten hätte und dazu noch eine Kinderstube. Die Ermöglichung zu diesem Besitztum käme wohl aus Gründen einer Dankbarkeit, aus einem Existenzahnen, das sich nicht selbst bekunden mag in einem unaufhörlichen Selfiedasein, sondern das sich auf die liebende Wirkmacht und den ersehnten Sinn berufen will und darum mit den Liedern der Psalmen ruft: "Wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele."

Ich hätte einen Sommerwunsch zu verschenken, als wäre es mein Herz. "Ich!", sage ich darum und nicht Du. Dazu habe ich kein Recht. Die Frage nach der Eigentlichkeit und Tiefendimension meiner Reise soll mich treu begleiten wie eine gute Freundin: Was habe ich anzubieten, was will ich hier?

Die Autorin ist Pfarrerin an der Lutherischen Stadtkirche in Wien

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