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Endzeit-Szenario

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Walter Umminger geht es um die Darstellung von Gitterstäben der Gegenwart, von fundamentalistischen Tendenzen.

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Walter Umminger geht es um die Darstellung von Gitterstäben der Gegenwart, von fundamentalistischen Tendenzen.

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Wer die Gegenwart verstehen will, muß die Geschichte kennen. Der Schriftsteller und Journalist Walter Umminger hat mit diesem Roman scheinbar ein Panorama des Zeitraumes von 1596 bis 1632 geschaffen. Mittels fingierter Briefe von 180 Korrespondenten entwirft er ein facettenreiches Bild von Reformation und Gegenreformation, wägt die Standpunkte ab.

Das als historischer Roman verkleidete Opus ist jedoch nicht nur eine Darstellung der Wurzeln, sondern auch ein Zerrspiegel der Gegenwart. Umminger schreibt: „Die Masse hat in diesem Jahrhundert begonnen, sich ein Christentum ohne Papst vorzustellen. Dem folgten bald darauf Ansätze der Vorstellung eines Christentums ohne Kirche... Von hier aus bedeutet es nur noch einen kleinen Schritt, sich ein Christentum ohne Jesus Christus zu denken.“ Konsequent weitergedacht bedeutet das, daß auch ein Tun ohne Chri stentum vorstellbar ist. In dieser Zeit leben wir heute.

Noch deutlicher der Bezug zur Gegenwart in Sätzen wie: „Es sind offenbar die Flüchtlinge, die eine neue Welt erschaffen“. Oder: „Der Haß siedet in immer stärkeren Hitzegraden und wird eines Tages explodieren wie der eiserne Kochtopf Papins, bevor dieser das Ventil erfunden hatte.“ Diesen Satz setzt Umminger in einen Brief aus dem Jahr 1596. Da aber Denis Papin anno 1647 geboren wurde, wird deutlich, daß der Roman nur vorgibt, über einen bestimmten Zeitraum zu berichten. Die Gegenwart wird im historischen Kostüm gezeigt, weil es auch um die Wurzeln, die zur gegenwärtigen Situation geführt haben, geht. Ummingers Opus magnum ist also ein Flexier- spiel der besonderen Art, das zeigt, wie flüchtig jede Beobachtung ist.

DAS WINTERKÖNIGREICH

Fon Walter Umminger. Klett-Cotta Cer lag, Stuttgart 1994.

1.103 Seiten, öS 530,-.

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