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Es gibt keine vollendeten Tatsachen

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Biblisch urtümliche Zeiten konnten noch von Sprüchen wie „Eure Rede sei Ja, ja und Nein, nein!” schwärmen. Heutige Taktiker haben längst entdeckt, wie geschickt man mit Worten „ja” und mit Taten „nein” oder mit Worten „nein” und mit Taten „ja” sagen kann. Man stelle also den Partner, den Gegner, einen gefaßten Beschluß vor konträre Tatsachen - und dann soll er zeigen, ob er den Mut hat, auf dem Beschluß, dem Vereinbarten zu bestehen.

In der letzten Zeit gibt es dafür viele aktuelle Beispiele. Viele Wiener haben Grundstücke gekauft, die mit einem ausdrücklichen Bauverbot belegt sind. Trotzdem haben sie dort Häuser errichtet. Die Wiener Stadtverwaltung wird es doch nicht wagen, sie zum Abreißen der Gebäude zu zwingen. Oder - bauende Institutionen haben ein Projekt beschlossen, aber die durchführenden Organe überschreiten ungeniert die bewilligte Bausumme. Bis es die Kontrollorgane bemerken, wird es hoffentlich für regulierende Eingriffe zu spät sein.

Oder der Zirkus mit der „neuen” Bechtschreibung: Die Schulbehörde weiß natürlich, wie „wach” und umstritten die ganze Sache ist; und daß es eigentlich nach dem dritten Sparpaket eine Unverschämtheit ist, für diese Halbheit Unsummen auszugeben; und daß diese „Bechtschreibung” erst am 1. August 1998 offiziell eingeführt werden soll - trotzdem wurde sie bereits im abgelaufenen Schuljahr von 90 Prozent aller Volksschullehrer unterrichtet - die dreistelligen Millionenbeträge sind also längst ausgegeben. Wenn das keine vollendete Tatsache ist! Wer wird da schon den Mut haben, diese „Beform” rückgängig zu machen?

Es gibt keine vollendeten Tatsachen. Das mußten auch die Schweizer Banken mit den seit Jahrzehnten ruhenden jüdischen Konten und Nazikonten begreifen lernen. Das mußte auch die Bepublik Österreich mit den gehorteten jüdischen Kunstschätzen einsehen.

Wohl dem Land, das seinen „Opportunisten der Tat” das Handwerk legt und ihre Berechnungen zunichte macht. Denn es gibt keine „vollendeten Tatsachen”, solange sich nicht die Gerechtigkeit durchgesetzt hat.

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