Globalisierter Hass

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Über Ausweglosigkeit und Opferbereitschaft angesichts des Krieges in Israel und Palästina.

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Über Ausweglosigkeit und Opferbereitschaft angesichts des Krieges in Israel und Palästina.

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Als ich im Sommer letzten Jahres zu einer Studienreise in Israel/Palästina unterwegs war, war die Gewaltsamkeit im Land vielerorts zu spüren. Aber mit einer solchen gnadenlosen Brutalität, wie sie im Terrorangriff der Hamas aktiv wurde, habe auch ich nicht gerechnet. Und nicht mit den Wellen von Hass und Verachtung, die sich seitdem über Ländergrenzen hinweg breitmachen. Der Hass nutzt die schnellen Wege, die die Globalisierung geschaffen hat, um sich mit Lügen und Fakenews in Windeseile auszubreiten. Der Antisemitismus bricht auch in Deutschland wieder ungehemmt aus, auch in der ‚Mitte der Gesellschaft‘. So behauptete der Populär-Schriftsteller Richard David Precht kürzlich, dass orthodoxen Juden aus religiösen Gründen das Arbeiten untersagt sei, „Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen“. Ein antisemitisches Stereotyp, das er zurücknehmen musste, das aber dennoch in der Welt ist und sich seine Wege sucht. – Die Situation in Israel/Palästina erscheint ausweglos. Wo es um etwas geht, das Menschen heilig ist, da steigt die Opferbereitschaft. Man achtet kaum auf die Wunden, die man selbst vielleicht erleidet; aber noch weniger auf die Wunden, die Anderen zugefügt werden. Je heiliger etwas ist, desto höher wird die Opferbereitschaft. Und je mehr Opfer gebracht werden, desto heiliger wird das, worum es geht. So können entsetzliche Opferspiralen entstehen, die die Gewalt ins Explosive treiben. Den Menschen im Land wünsche ich das, was Thomas Merton in den 1960er Jahren angesichts eines drohenden Atomkriegs sagte: „Der Todeskampf kann ein Kampf um das Leben sein, eine neue Geburt. Man könnte manchmal versucht sein, die gegenwärtige Krise als endgültige Krankheit zum Tode zu betrachten. Vieles weist tatsächlich in diese Richtung. Sie kann aber auch die Geburtswehen einer neuen Welt sein. Darauf hoffen wir.“

Die Autorin ist kath. Vulnerabilitätsforscherin an der Uni Würzburg.

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