Sonne - © Bild von KBCH auf Pixabay

Liebe Sonne

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Ein Sommergdicht von Marie Luise Kaschnitz.

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Ein Sommergdicht von Marie Luise Kaschnitz.

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Eines meiner liebsten Sommergedichte stammt von Marie Luise Kaschnitz. Sein Titel „Liebe Sonne“ ist auch anders lesbar: „Liebe. Sonne.“ Um beides geht es in ihrem Gedicht. Und vor allem um eines: um Auferstehung. Die Dichterin führt vor Augen, dass es immer triftige Gründe zur Resignation gibt, sodass Menschen die Hände in den Schoß legen, Häuser verfallen und Weinberge brachliegen lassen. Was tun gegen die Sogwirkung der Resignation? Kaschnitz empfiehlt einen Blick auf küssende Lippen, die strahlende Sonne und die wunderschöne Erde. Ihre Zeugenschaft, täglich neu und unvermindert, wendet die Resignation in Richtung Auferstehung.

Allerdings wird in den letzten Jahren auch in Europa spürbar, wie ambivalent die glühende Sonne wirkt. Monatelang und teils über Jahreszeiten hinweg regnet es nicht mehr in Gebieten, die existenzielle Wasserknappheit zuvor nur vom Hörensagen kannten. Bereits 1995 ernannten die Vereinten Nationen den 17. Juni zum „Welttag zur Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre“. Der Klimawandel steuert auf einen Kipppunkt zu, an dem sich die destruktiven Auswirkungen exponentiell verstärken. Der Fluchtgrund Klimawandel wird dann auch die Migrationsproblematik extrem verschärfen.

Das Sommergedicht von Kaschnitz lädt dazu ein, sich gerade jetzt nicht der Resignation anheimzugeben. Auch dann nicht, wenn der eigene Wirkungskreis verschwindend klein erscheint. Auferstehung ist ein Tätigkeitswort. Alle Menschen in Europa und vor allem die Wohlhabenden können dazu beitragen, den Klimawandel abzubremsen. Im Bereich Wohnen, Mobilität, Urlaub, Ernährung. Da hat die Bewegung „Letzte Generation“ völlig Recht. Wer sich aktiv und einfallsreich beteiligt, widersteht der Resignation. Dann fällt es auch leichter, den blauen Himmel zu genießen. Und den neuen Morgen, der sanft im ersten Sonnenlicht erwacht.

Die Autorin ist katholische Vulnerabilitätsforscherin an der Universität Würzburg.

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