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Strom vom Himmel

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Man setzt sich nicht „ungstraft" in die Sonne, denn die Son-. nenstrahlen machen die menschliche Seele rebellisch. Wer zu lange von der Sonne beschienen wird, redet leicht verrücktes Zeug. Oder was sonst haben die Leute von einem gewissen Jesus gehalten, was er da von der Sonne dahergeredet hat. Nur weil Gott die liebe Sonne auf die Guten und auf die Bösen scheinen läßt, sollen es die Menschen auch so tun - also ihre Feinde genauso lieben wie ihre Freunde. Das ist den Leuten auch damals verrückt vorgekommen. Vielleicht haben sie sogar vermutet, daß der Bab-bi Jesus einen Sonnenstich hat, wenn er solche Sachen sagt.

Die Sonne macht die Menschen rebellisch. Wer Sonne im Herzen hat, dessen Kopf wird hell, er läßt sich nicht für dumm verkaufen. Es ist kein Zufall, daß die Atomgegner gerade die Sonne zu ihrem Symbol gemacht haben: eine rote Sonne auf einem gelben Pickerl und dazu die Inschrift „Atomkraft? Nein danke." Haben sie schon vor Jahrzehnten geahnt, daß aus der Sonne überzeugende Alternativenergie kommen wird?

Die Sonne macht die Menschen rebellisch - sogar einen braven evangelischen Pfarrer „helvetischen Bekenntnisses". Der war natürlich genauso von den Slogans der Ökumenischen Versammlung in Basel 1989 begeistert: „Bewahrung der Schöpfung" hieß es da, und „Erhaltung einer gesunden Umwelt", und „erneuerbare Energie", und „Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung". Aber eines Tages hat er genug gehabt von all diesen ewigen Diskussionen und wollte endlich etwas tun. Und seit kurzem hat er in seiner Kirche in der Wiener Dorotheergasse 16 eine Photovoltaikanla-ge auf dem Dach, also eine Art kleines Sonnenkraftwerk. Natürlich gab es Widerstände: „Das rechnet sich nicht!" Und das Bundesdenkmalamt hat auch eine Weile zum Umdenken gebraucht. Ja, und am 1. Juni 1997 geht es los: Strom vom Himmel! Wer sonst sollte Strom vom Himmel beziehen, wenn nicht eine Kirche? Mitten in der Stadt ist ein Sonnenzeichen aufgestellt worden, das sich jeder gerne einmal ansehen kann.

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