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Große Fete in Paris

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Der 14. Juli ist da. Endlich, denken sich die Franzosen, die Pariser vor allem. Einerseits, weil sie in ihrem patriotischen Eifer den Nationalfeiertag nicht erwarten köimen, andererseits, weU dann die Hauptlast des „Bicentenaire“ (200-Jahr-Feier) weg ist.

Daß die „Grande Nation“ immer schon auf Superlative Wert gelegt hat, ist bekannt Staimend stehen die österreichischen Paris-Touristen vor den immensen Parks und Plätzen, bewundem die Neubauten, die mit schöner Regelmäßigkeit alles Vorhergegangene in den Schatten stellen sollen. Bei den Vorbereitungen zumNationaUeiertagmußte sich die Staatsverwaltung natürlich selbst übertreffen. Der Staat, der sein ganzes Selbstverständnis aus der Revolution bezieht, kann nicht bloß Gedenken an die damaligen Ereignisse fordern, sondern muß Euphorie und Patriotismus augenfällig machen.

Der Rummel begann praktisch schon in den ersten Minuten dieses Jahres, und die französischen Medien hatten das Thema schon im Vorjahr breitgewalzt Es gibt mittlerweile keine einzige Buchhandlung in Frankreich, die nicht mindestens dreiviertel ihrer Schaufenster nur mit Büchern über die Revolution bestückt hat, die Ereignisse von 1789 wurden fürs Femsehen nachgestellt, die Zuschauer durften sich selbst in die Rolle der Richter über Ludwig XVI. hineinversetzen (sie hätten den König übrigens freigesprochen). Nachdem sich schon alles, was in der Geschichtswissenschaft Rang imd Namen hat, im Femsehen und im Radio zu Wort gemeldet beziehimgs-weise für verschiedene Blätter zur Feder gegriffen hat, wurden zuletzt die Details ausgegraben. So weiß man nun auch über die Wetterlage im Paris des 14. Jvdi 1789 Bescheid. Blau-weiß-rot leuchtet es in allen Auslagen: Kleidimg, Kuchen, Flaschen, Bimtstifte mit den Nationalfarben gibt es zu kaufen, nicht selten sind auch die Verkäuferixmen passend dazugekleidet Einbekannter Parfumhersteller hat ein Revo-lutionsp arfum kreiert und wer sparen will, für den gibt es kleine Revolutionskokarden zum Anstecken.

Der 14. Juli soll alles je an Fest-lichkeitenDagewesene in denSchat-ten stellen. 16.000 geladene Gäste werden sich axif der Place de la Concorde einfinden; viele Pariser, aus der Provinz angereiste Franzosen imd Ausländer werden sich auf den Straßen drängen, um die große Militärparade auf den Champs Ely-sees zu sehen; die Hotels sind seit Monaten ausgebucht; die Anrainer mit Fenster auf die Hauptschauplätze der Feiem hatten noch nie so viele „gute Freunde“ wie jetzt. Und am Abend des 14. Jiili findet ein multikulturelles Fest in Paris statt, bei dem über 8.000 Künstler und Statisten aus aller Welt ihre Kunststücke vorführend durch die Straßen ziehen - das weltweit größte Fest. Staatsoberhäupter aus aller Welt sind nach Frankreich angereist, wodurch der 14. Juli auch zum bedeutendsten Poütikertreffen aller Zeiten wird. Gleichzeitig wird auch der Weltwirtschaftsgipfel abgehalten. Dementsprechend sind auch die Sicherheitsvorkehrungen: Park- imd Fahrverbote, verstärkte AxisweiskontroUen auf der Straße und in der Metro sorgen seit Wochen für Ärger xmter den Betroffenen. So viel Hektik hatten sie selbst in Paris noch nicht erlebt, \md der 14. Juli kommt wie eine Erlösung.

Anders als etwa in Österreich kann der Nationalfeiertag in Frankreich das Volk immer begeistem, 1989 liegen daher (fast) alle im Revolutionsfieber und haben nxir eine Sorge: Daß es nicht regnen möge, und daß man im Gewühl noch halbwegs zum Schauen komme.

Europa wird sich jetzt langsam vom „Bicentenaire“ erholen, aber nur, um ins nächste runde JubUäiim hineinzugleiten: 1492 wurde Amerika entdeckt, xmd die Kommissionen in Spanien und in Übersee arbeiten bereits an der Vorbereitung der Feierlichkeiten…

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