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Große Tanz- und Schauspielkunst

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Der Film „Am Wendepunkt“ war zwar für mehrere „Oscars“ nominiert, ging dann aber ganz leer aus, während der Preisregen sich über Woody Allens Satire „Der Stadt-neurotiker“, das infantile Weltraumspektakel „Krieg der Sterne“ und Fred Zinnemanns „Julia“ ergoß. Wahrscheinlich scheute man sich, zu honorieren, daß hier gutes altes Hollywood im besten Sinne geboten wird, mit einer nahezu selbstverständlichen Perfektion der Leistung in fast allen Sparten.

Schon die Story einer Tänzerin, die vor Jahren ihren Beruf aufgegeben hat, um sich der Ballettschule ihres Mannes und ihren Kindern zu widmen, sowie ihrer Freundin und Rivalin, die zwei Jahrzehnte Star-tum ausgekostet hat, um sich nun auf die Choreographie zu beschränken, und der Tochter der ersten, die eben den Durchbruch zur Primaballerina geschafft hat, ist sehr klar und menschlich plausibel aufgebaut. Das Schicksal der einzelnen Figuren verbindet sich nahtlos zu einem überzeugenden Milieubild, das Ballett als harte Alltagsarbeit und nicht nur als Bühnenglanz und persönlichen Ruhm ausweist. Hier wird nicht intellek-tualisiert und psychologisiert, sondern auf sehr gescheite und noble Art eine Geschichte erzählt, die durch ihre allgemeingültigen Probleme, die sich in gewissem Maß auch auf andere Berufsschichten transponieren ließen, berührt und interessiert.

Herbert Ross („Mach's noch einmal, Sam“, „Die Sunny-Boys“) hat den Füm mit viel Sorgfalt und ■ künstlerischer Einführung in Szene gesetzt und ihn sowohl schauspielerisch als auch tänzerisch reich ausgestattet. Für die Hauptrollen hat er mit Shirley MacLaine und Anne Bancroft zwei Spitzenkönnerinnen aufgeboten. Wenn die beiden Freundinnen-Rivalinnen nach 20 Jahren einander lange aufgestaute bittere Wahrheiten an den Kopf werfen, ist das wohl ein großer Theatercoup, aber zugleich reife Darstellerkunst in Vollendung. Dazwischen baut Ross unaufdringlich immer wieder erlesene Ballettszenen ein, in denen vor allem Michail Baryschnikow und Leslie Browne brillieren und das Ensemble des American Ballett Theatre einen kongenialen Rahmen schafft.

Dieser Film, der keine leeren Schauwerte, sondern echt künstlerische Inhalte bietet, könnte dazu angetan sein, Publikumsschichten wieder für das Kino zu gewinnen, die schon lange keinen Fuß mehr hineingesetzt haben. Denn hier wird bewiesen, daß Film ohne Sensation und Spekulation eine eigenständige Kunstgattung sein und als Medium auch Leistungen anderer Kunstsparten - hier noch dazu in vollendeter farbiger Bildgestaltung - vermitteln kann.

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