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„Grüß Gott“ & „Heil Hitler“

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Die weiße Schneetuchent, die der Himmel in der Nacht auf den 27. Februar über Wien gebreitet hat, ist kein Symbol für den weiteren Verlauf des Studientages im Europahaus. Nein, hier wird nichts zugedeckt, sondern „in großer Offenheit“, wie auch der Zeitzeuge Anton Böhm (einst Führer des „Neu-land“-Bundes und auf einer großdeutsch-antisemitischen Linie liegend) feststellt, gesprochen.

Den Anfang an diesem Samstag machen die Kommunikationswissenschaftler: Michael Schmolke (siehe Seite 11), Fritz Hausjell und Barbara Hofer (siehe nebenstehenden Beitrag). Anton Böhm, seinerzeit Mitarbeiter der ,3eichspost“ und der „Schöneren Zukunft“ und im Jahr 1938 Verwalter des „Herold“-Verla-ges, konstatiert, daß die Wissepschaftler mehr über damalige Vorgänge wissen, als er aus seiner Erinnerung hervorholen kann.

Wenig wissen die Wissenschaftler, wie Schmolke später sagt, über ein Gebiet, von dem der Zeitzeuge Karl Bier berichtet. Er mußte die Reichsschriftleiterschule in Berlin-Potsdam besuchen und erregte dort mit einem Probeartikel über Adalbert Stifter Anstoß. Das Lob des Kleinen und der Stille war in dieser Zeit gar nicht gefragt — Bier erhielt seinen Schriftleiterausweis erst Wochen nach seinen Kurskollegen.

Standen Böhm und Bier, der bis dahin arbeitslos war, dem „Anschluß“ positiv gegenüber, war dieser für Alfred Missong (siehe nebenstehender Beitrag) eine Katastrophe - und erst recht die Haltung der Bischöfe. „Das Ärgste, ein echter Dolchstoß, war für meinen Vater das Läuten der Kirchenglocken zum Einzug Hit-! lers“, erzählt Alfred Missong, Direktor der Diplomatischen Akademie.

Am Nachmittag skizziert Maximilian Liebmann, wie in der .Katholischen Kirche das Ver-' trauen in eine „Tauffähigkeit“ des Nationalsozialismus schwand und wie es zum Sturm auf das Erzbischöfliche Palais kam.

Liebmann verliest auch ein einmaliges Dokument, den Protestbrief des zunächst sehr NS-freundlichen Grazer Theologieprofessors Johannes Ude angesichts der Judenverfolgung. Ude distanzierte sich darin scharf von dieser „sonst nur im Busch und in Wildwest gebräuchlichen Lynchjustiz“.

Zuletzt fordert Liebmann „endlich öffentlich anerkennende und dankende Worte von seiten der Bischofskonferenz“ für jene, die für den Glauben und die Freiheit Österreichs litten und starben, für den Pallottinerpater Franz Reinisch, den Augustiner-Chorherrn Roman Scholz und die Ordensschwester Restituta.

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