Erst kürzlich erfuhren wir vom entlassenen Mithäftling einer Terroristin, wie diese Bankräuberin von den Zellengenossinnen bewundert wird. Es gibt so etwas wie eine Hierarchie der Verbrecher, wobei einzelne als Idole verehrt werden. Die führt Jean Genet in seiner einaktigen, fast 30 Jahre alten Tragödie „Unter Aufsicht“ vor, aufgeführt von den „Komödianten“ im Theater im Künstlerhaus.
Ein Mördel, zwei Diebe in einer Gefängniszelle. Virulenter Geltungstrieb der Verbrecher. Der Dieb Lefranc erwürgt den Dieb Maurice, der behauptet, Lefranc werde nie von ihrer Art sein. Der Mörder Grünauge bestätigt es nach diesem Mord: Lefranc habe den Mord „gewollt“, er sei nicht dazu „erwählt“. Hier wird ein Geltungsgefüge sichtbar, werden Antriebe bloßgelegt. Dieser Mörder, diese Diebe besitzen Selbsteinsicht, gelangen zu Erkenntnissen. Kann man das naturalistisch glaubhaft spielen? Laut Genet soll das Stück wie ein Traum ablaufen. Es ist aber seinem Wesen nach kein Traum.
Das Bühnenbild von Hans Hoffer zeigt eine hohe Gefängniszelle, in die man durch eine Glaswand blickt. Regisseur Conny Hannes Meyer bietet das Stück als ein verbales Oratorium dar, das von feierlicher Langsamkeit des Sprechens bis Pathetik und hektischer Übersteigerung reicht. Choreographisch festgelegte, meist pantomimische Bewegungen. Dabei tragen die Darsteller von Renee Diamant entworfene Schleppgewänder.
Entgegen Genet wird immer wieder abgedunkelt, so daß Spielszenen entstehen, deren Zäsuren durch Geräuschmusik akustisch verstärkt werden. Zahlreiche Schaltvorrichtungen, sowie je zwei Videomonitoren zu beiden Seiten der Bühne, die das Bühnengeschehen gleichzeitig wiedergeben, entsprechen einem modischen Trend der Bühnenbildner. Manfred Lukas Luderer, Michael Kraus, Georg Nenning und Karl Höss bieten im Rahmen des Regiekonzeptes gleichwertige Leistungen. Das Stück wird optisch und akustisch überaus gehöht; der Text wehrt sich mit gelegentlichen Vulgärfloskeln.
