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Homo sowjeticus

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Was die 27jährige Autorin Cathy Young mit ihren Jugenderinnerungen an die UdSSR beziehungsweise ihre Heimatstadt Moskau nunmehr vorgelegt hat, ist eine Aufarbeitung russischer Alltagsgeschichte der allerbesten Art. Als Katja Jung 1965 geboren, wächst die einzige Tochter einer jüdischen Mittelschicht-Familie zur bekennenden Kritikerin (das Wort

„Dissidentin“ im Klappentext scheint denn doch übertrieben) der repressiven Breschnew-Ära heran. Die Auseinandersetzung der Intelligenzija mit dem dumpfen Dogmatismus des Zwangskollektivs namens „Neue sowjetische Gesellschaft“ endet schließlich in der Emigration nach Amerika.

Young, die heute in New Jersey wohnt, hat mit diesen Schilderungen, in denen freilich auch reichlich Banales nicht ausgespart wird, ein atmosphärisch dichtes Bild der Lebensmisere des Homo sowjeticus geschaffen, dessen Tristesse - trotz Perestrojka - noch andauert. Ethnische Diskriminierung, bürokratische Schikanen, soziale Verrohung, die Versorgungskrisen und die schlechte Luft der Bespitzelung begleiten das Leben der Heranwachsenden, prägen den schulischen wie familiären Alltag.

Mit der Lektüre verbotener Literatur, dem Hören ausländischer Sender und dem Umgang mit Gleichgesinnten entfaltet sich beim Teenager ein massiver innerer Protest gegen das Regime. Die Auswanderung ist also die logische Konsequenz daraus. ,.Nicht mit der Lüge leben“, lautet das berühmte Leitwort Alexander Solschenizyns, der über ihrem ausgewogenen Bericht einer Selbstfindung im kommunistischen System der 70er Jahre stehen könnte.

EINE JUGEND IN MOSKAU. Von Cathy Young. Econ Verlag, Düsseldorf 1990. 359 Seiten, 16 Abbildungen, öS 310,40.

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