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Digital In Arbeit

Idee im Streit

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Im Rahmen eines Klubabends des Dr. Karl Kummer-Instituts in Wien wurde die Salzburger Unternehmerin, Nationalratsabgeordnete und Arbeitszeitsprecherin der ÖVP, Helga Rabl-Stadler, zur Abwechslung einmal von christlichen Gewerkschaftern kräftig in die Zange genommen.

Die Diskussion über die Flexibilisierung der Arbeitszeit drohte mitunter in einem ideologisch bedingten Streit um die Teilzeitarbeit unterzugehen.

Einmal mehr konnte man feststellen, wie schwierig es ist, einer neuen Idee auch nur den Weg zu einem Versuch zu bahnen, wenn detail- und beispielsfreudige Praktiker mit Gegenargumenten aufwarten.

Allerdings gelang es inzwischen auch Helga Rabl-Stadler, einen praktischen Durchbruch zu erzielen: Durch die seit 1. März 1984 in Salzburg gegen den anfänglichen Widerstand des Sozialministers errichtete „Teilzeitbörse” weiß man jetzt wenigstens über die Salzburger „Teilzeiter” besser Bescheid.

„Die Hälfte der arbeitslosen Frauen sucht Teilzeitarbeit, und zwar nicht, weil sie die Frauen reicher Männer sind, sondern weil sie das Geld brauchen. Die meisten Teilzeitarbeit suchenden Frauen sind um die dreißig Jahre alt, haben ein Kind zwischen drei und 15 Jahren, eine abgeschlossene Berufsausbildung und haben schon einmal gearbeitet”, berichtete Rabl-Stadler. Entschieden sprach sie sich in diesem Zusammenhang erneut gegen die „Ka-pazitätsorientierte variable Arbeitszeit” (Kapovaz) aus. Arbeit und damit auch Bezahlung auf Abruf liege nicht im Interesse der ÖVP.

In die etwas schwammige Formulierung von Rabl-Stadler, der Produktivitätszuwachs, der durch die Flexibilisierung der Arbeitszeit erreicht wird, müsse „verteilt” werden, hakte dann prompt das Publikum ein und machte seinem Ärger über die Teilzeitarbeitspläne Luft.

Teilzeitarbeit bedeute in der Praxis mehr Arbeit für weniger

Geld, Arbeit, die auf den „Bio-Rhythmus” des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehme. Die Arbeitgeber behaupteten genau das Gegenteil, konterte Rabl-Stadler: Teilzeitarbeit bedeute weniger „Out-Put” und mehr Kaffeepausen.

Weitere Argumente gegen die Teilzeitarbeit aus dem Publikum:

# teilzeitbeschäftigten Frauen bleibt der Karriereweg zumeist verschlossen;

# Abfertigung, Sozialversicherung und Pension sind geringer; % alleinverdienende Frauen werden ausgenützt, vor allem, wenn sie Kinder haben;

# Teilzeitbeschäftigte haben weniger Chancen, sich weiterzubilden, und versäumen deshalb leichter den beruflichen Anschluß.

Ein wesentliches Problem bei der Einführung der Teilzeitarbeit nannte Rabl-Stadler dann noch selbst: Es müßte bei einer Änderung des Arbeitszeitgesetzes berücksichtigt werden, daß ein Unternehmer, der seine Beschäftigten zur Teilzeitarbeit überredete, diese dann auch für eine gewisse Zeit nicht kündigen dürfe, „denn ansonst sind die Gekündigten wesentlich schlechter gestellt bei der Abfertigung”, meinte Rabl-Stadler.

Ein junger Betriebsrat von Siemens signalisierte dann mit seiner persönlichen Geschichte die neuen Deformalisierungstenden-zen auf dem Arbeitsmarkt. Seine Frau sei derzeit teilzeitbeschäftigt, in erster Linie wegen der Kinder. Sollte später (— „wenn das Haus fertig ist” -) bei ihr der Wunsch entstehen, ganztägig zu arbeiten, dann werde er nichts dagegen haben, selbst weniger zu arbeiten und auch weniger zu verdienen, weil ihm auch die gewonnene Zeit für die Familie viel wert sei.

In der Diskussion über die Teilzeitarbeit sollte man sich in Zukunft nicht an mehr oder weniger Kaffeepausen reiben, sondern jenen, die weniger arbeiten wollen, gleichgültig aus welchen Gründen immer, die Möglichkeit dazu nicht verbauen.

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