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Im Kaffeehaus

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Da ist das Kaffeehaus. Da, sind seine Ober. Da bin ich. Und da ist die Nähe zu meinem Büro, das mich die Ober zu vergessen zwingt, da ich sonst meine fürs Cafe besser als fürs Büro geeigneten Gespräche zwei Kilometer weiter entfernt führen müßte.

Sie schauen auf den ersten Blick aus wie alle anderen Ober. Auf den zweiten jedoch, und den habe ich längst gemacht, wirken sie verstaatlicht mit allen negativen Aspekten, die man diesem Begriff anhängt.

Zwar gehört es zum rechten Verhalten jedes Oberkellners, den Gast zuerst zwar höflich zu begrüßen, ihn dann aber für eine Weile zu ignorieren. Die Dauer dieser Weile hat jedoch eine gewisse Toleranzgrenze keinesfalls zu überschreiten und muß vom geübten Gast als Teil eines Rituals erkannt werden. Hier, im genannten Kaffeehaus, ist sie zu lang und findet ihren Grund schlichtweg in der Faulheit der Kellner.

Nun aber, irgendwann tritt die Sensation ein und der Ober erscheint tatsächlich am Tisch. Hier bestellt sich mein Gast zwischen Sodawasser und Gulaschsuppe alles Mögliche, ich verlange, es ist mittlerweile zu sturer Tradition geworden, ein Flascherl Ribiselsaft.

Du meine Güte, der Ribiselwein ist in unseren Breiten ein allseits bekanntes und zumeist auch geschätztes Getränk, sein Name ist unumstritten. Bei meiner Bestellung des Ribiselsaftes jedoch, im genannten Kaffeehaus, habe ich, seit ich hier verkehre, folgende Reaktionen der verschiedenen Kellner erfahren.

Erstens. Der Ober hört das Verlangen, stutzt merkbar, denkt sichtbar, und sagt sodann: „Ribiselsaft haben wir leider nicht, aber darfs Johannisbeersaft sein?“ Zweitens. Siehe oben, aber statt Johannis- wird Heidelbeersaft angeboten. Drittens. Siehe oben, aber ohne Ersatzangebot. Meine Reaktion richtet sich nach meiner jeweiligen Tagesverfassung und nach meinem Gast.

Entweder ich bleibe gelassen und gehe wortlos auf das Alternativoffert ein. Oder ich sage, mehr oder weniger gereizt: „Johannisbeeren sind Ribisel.“ Hier kommt's dann wieder zu unterschiedlichen Gegenreaktionen des Personals, die vom ungläubigen Aha-Erlebnis über protestlerische Belehrungen wie etwa Ribisel seien rot, Johannisbeeren, hier erhältlich, hingegen schwarz, bis zum stillschweigend anarchischen Servieren von Heidelbeersaft reichen.

Ich habe die zweite Version schon mit der grimmigen Belehrung, es gebe rote wie auch schwarze Ribisel und somit rote und schwarze Johannisbeeren, erstere jedoch in Österreich, zweitere eher in deutschen Landen, zu parieren versucht.

Ich habe einen der Ober, der Johannisbeeren und Ribisel überhaupt in zwei völlig verschiedene Bereiche verwies, bereits peinlich befragt, wie er sich denn diese und wie'er sich jene Frucht vorstelle, und ich habe die naturgeschichtlich interessante Antwort erhalten, daß Johannisbeeren auf niedrigen Büschen, Ribisel hingegen auf Bäumen wachsen.

Es war bis vorige Woche sinnlos. Da saß ich wieder, mir gegenüber ein Gast aus Berlin. Der bestellte für sich ein Glas Johannisbeersaft.

Da schaute ihn der Ober verächtlich an, zwinkerte mir sodann unverschämt zu und sagte: „Johannisbeersaft haben wir leider nicht. Aber darfs Ribiselsaft sein?“ Als es ans Zahlen ging, hat er den Bonus wieder verwirkt. Er hat uns weit über die ritualisierte Frist hinaus, pragmatisiert und faul, warten lassen.

Und so erspare ich mir seit Jahr und Tag das Trinkgeld.

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