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Ingeniöse Aufzeichnungen

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Hugo Ball (1881-1927) war sicher der wesentlichste Anreger des Dadaismus, den er zusammen mit Tristan Tzara und Richard Huelsenbeck im Schweizer Exil während des Ersten Weltkrieges begründete. Der Kabarettist und scheinbare Nonsensedichter wollte „Dokumente nicht der Erbauung, sondern der Paradoxie hinterlassen". Dieser radikalste Avantgardist des 20. Jahrhunderts war übrigens praktizierender Katholik, der den Weg zurück in altkirchliche Traditionen und Überlieferungen suchte. So schreibt er im Jahre 1920(!) etwa: „Es gibt nur eine Macht, die der auflösenden Tradition gewachsen ist: den Katholizismus."

Und so bergen die nun erstmals herausgegebenen Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1914 bis 1921 • noch vielerlei Überraschungen in sich. Ball ging es in seinen künstlerischen Bestrebungen vor allem um eine Flucht aus dem alles überwuchernden Indu-strialismus beziehungsweise aus der absichtsvollen Technizität. Sein extrem individualistisches Credo lautete auf „orgiastische Hingabe an den Gegensatz all dessen, was brauchbar und nutzbar ist". Eine entsprechende Liga wider allen funktionalen Materialismus wollte er gründen, und an dieser gescheiterten Revo lte ist er wohl auch innerlich zerbrochen. Immerhin waren jedenfalls die kulturgeschicht-

liehen Nachwehen beträchtlich.

Hugo Balls Aufzeichnungen sind getragen von äußerster Hellsichtigkeit und einem tiefen Wissen um die deutsch-europäische Geistesgeschichte. Die Reflexionen über Philosophie und Politik zeichnen sich durch staunenswerte Aktualität aus, so daß die Lektüre tatsächlich zum lohnenden Erlebnis wird. Der gut ausgestattete Band weist auch einen präzis abgefaßten kritischen Apparat auf.

DIE FLUCHT AUS DER ZEIT. Von Hugo Ball. Hrsg. von Bernhard Echte. Limmat Verlag, Zürich 1992. 365 Seiten, öS 374,40.

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