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(Schaubühne am Halleschen U.fer, Berlin; „Orestie” von Aischy-los) Fast nichts ist gestrichen. Neuneinhalb Stunden dauerte der Theaterbesuch, zwei Stunden davon waren Pause. Neben mir las jemand den griechischen Text mit und war sichtlich zufrieden: Peter Steins Prosa-,.Nacherzählung” der „Orestie” des Aischylos stimmt, soweit Fiktionen, Uberlieferungstrümmer stimmen können.

Es herrscht totale Verständlichkeit, auch die des Wortes. Die Durchschaubarkeit dieses Brockens „Orestie” ist frappierend. A,ber das bedeutet zugleich Reduktion, ein Abkappen der Dimensionen. Stein, der sich in jahrelanger Vorarbeit Stoffes „bemächtigte”, ging dem Lyrischen aus dem Weg. Dieses Lyrische war im altgriechischen Drama aber Substanz und Bedeutung, Tönendes und Benennung.

Stein und sein Ensemble - eines der besten hierzulande immer noch, obgleich die neuen Mitglieder einstweilen Spuren von Fremdheit zeigen -, bieten jedoch immer noch mehr, als landauf, landab sonst zu sehen ist von den legendären Anfängen des Theaters. Die „Orestie” mündet in die Etablierung attischer Rechtsvorstellung, die geschworenen Richter leisten formelhaft ihre Verwaltungsarbeit: dafür kann es keinen Beifall geben, und die Regie unterbindet mit dem ad infinitum fortgesetzten Ritual auch den Theaterbeifall jener, die mehr staunend als ergriffen einen halben Tag und eine halbe Nacht- die antike „Zeitung” vernommen haben.

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