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Ja und Nein

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(Großer Konzerthaussaal, Wien; „Die letzten Tage der Menschheit” von Karl Kraus.) Die Monsterinszenierung von Hans Hollmann macht ein klares Ja oder Nein unmöglich.

Viel spricht für sie: Ein faszinierendes Raumkonzept. Die Realisierung noch nie gespielter Szenen. Eine verblüffend einfache, raffinierte Methode, die „antisemitischen” Szenen so zu spielen, daß sie nicht unerträglich wirken (die Schieber, aber auch zwei der Offiziere an der Sirk-Ecke und Kaiser Wilhelm wurden von Frauen gespielt). Viele Szenen packen, transportieren die Schärfe und den Zorn von Karl Kraus.

Am schärfsten und eindringlichsten freilich gerade jene Szenen, die den ganzen Aufwand nicht nötig haben: die des Nörglers. Helmut Lohner in der Maske von Karl Kraus, nein, als Karl Kraus - seihe Auftritte sind Höhepunkte der neunstündigen Aufführungen an zwei Abenden.

Vieles spricht aber auch gegen diese: Bei den intensivsten Stellen, denen des Nörglers, wurde am schmerzhaftesten gestrichen, denn sie sperren sich gegen das auf Bewegung und optische Effekte orientierte Konzept. Trotzdem, und obwohl auch diesmal nur ein Bruchteil des Textes gespielt werden kann, entstehen Leerläufe, Längen, kein Zweifel: diese Aufführung hängt oft und ausgiebig durch.

Durch kabarettistische Verfremdung wird vieles nicht ver-, sondern entschärft. Das Kolorit, das Atmosphärische geht unter. Jene Szenen, die immer wieder ein formales Gegengewicht zu denen des Nörglers bilden könnten und sollten, nämlich die an der Sirk-Ecke, sind total verhaut: Mit Wachsfiguren aus dem Kabinett der Madame Tussaud kommt man der Bestialität nicht bei, wird man Karl Kraus nicht gerecht.

Und: Diese Aufführung tut nichts, um die Lemuren von heute in den Lemuren von gestern erkennbar zu machen. Vor allem aus diesem Grund halte ich den Aufwand von 20 Millionen und Spitzengagen für die Darsteller von einer halben Million (!) für nicht gerechtfertigt in einem Land, das für die lebende Literatur meist nur Trinkgelder erübrigen kann.

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