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Junger Mann aus gutem Hause

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Junger Mann aus gutem Hause wollte im Fasching tanzen gehen. Warum auch nicht? Wer verübelt es ihm? Es ist das Recht der Jugend, Faschingsbälle zu besuchen und sich beim Mummenschanz die schönste der Schönen zum Tanze zu holen. Der junge Mann aus gutem Hause trat voll Erwartung und gutgelaunt, den Knoten seiner Krawatte unternehmungslustig gebunden, aus seinem Zimmer. Die Mutter am Tisch, Börsennachrichten lesend, sah auf.

„Du willst so spät noch ausgehen, Hans Maria?"

„Ja, Mama."

„Vermutlich tanzen?"

, Ja, Mama."

„Mit Freunden?"

„Ja, Mama."

„Ihr wollt den Fasching genießen?" „Ja, Mama."

Die gestrenge Mutter blickte besorgt auf ihren Sohn. Dann seufzte sie tief und sagte:

„Also gut, ich habe nichts dagegen. Aber bedenke bei allem, was du tust, daß du ein junger Mann aus gutem Hause bist. Vergiß es nicht!"

„Nein, Mama."

„Nicht später als um Zwölf wieder daheim!" „Nein, Mama."

„Trink keinen Wein und anderen Alkohol!" „Nein, Mama."

„Nicht singen, nicht schunkeln, nicht auf Treppen sitzen und nicht auf Balustraden!"

„Nein, Mama."

„Keinen Rock'n'Roll und andere wilde Tänze!" „Nein, Mama."

„Du wirst dir auch kein Mädchen wählen, das allzu locker geschürzt ist!" „Nein, Mama."

„Du wirst auch nicht küssen oder andere Zärtlichkeiten tauschen!" „Nein, Mama."

„Du wirst auch kein Mädchen nach dem Ball heimbringen!"

„Nein, Mama."

„Das versprichst du mir?"

„Ich verspreche es, Mama."

„Dann geh! Wohin gehst du?"

Da sagte der junge Mann aus gutem Hause: „Unter diesen Umständen am besten jetzt gleich ins Bett, Mama."

Aus: DACHBODENGESCHICHTEN. Heiteres und Besinnliches aus einem alten Haus. Von Jo Hanns Rösler. Herbig Verlag, München 1991. 246 Seiten, öS 193,40,-

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