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Blumenstrauß fur Omi

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Pünktlich mit dem Mai kehrt auch alle Jahre wieder der Muttertag. Fast hätten wir vergangenes Jahr darauf vergessen, aber heuer hatte ich es mir extra rot angestrichen in meinem Terminkalender.

Andererseits wäre es Mama sicherlich nicht aufgefallen, wenn wir es eine Woche später nachgeholt hätten oder überhaupt ausfallen ließen. Im Heim ist doch bestens für sie gesorgt, und die Schwestern machen auch jedes Jahr immer so eine hübsche Feier - beginnt um 14 Uhr und endet maximal um 15 Uhr - anschließend Nachtmahl.

Was will ein alter Mensch mehr? Wer weiß, ob wir es einmal so gut haben werden oder ob unsere Kinder einmal so viel für uns übrig haben werden, wenn wir einst alt sind?

Hast Du gesehen, wie es heuer in Mamas Augen glitzerte, als ihr Franzi den Blumenstrauß auf das Bett legte? Sicherlich, es waren Diskont-Blumen, aber was erwartest Du?

Ich erinnere Dich nur an ihre Bettnachbarin, niemand ist heuer aufgekreuzt. Und wenn ich ihr nicht ein paar von Mamas Pralinen abgegeben hätte, wäre sie überhaupt leer ausgegangen. Natürlich weiß ich, daß Mama Zuk-ker hat. Aber was soll man ihr sonst schenken? Alte Leute sind doch genügsam, und in diesem Heim muß sich Mama wirklich nicht beklagen. Immerhin kostet sie uns monatlich eine hübsche Stange Geld, oder?

Bitte, was soll denn das? Ist das nun Deine Mutter oder meine? Als ihr Schwiegersohn kümmere ich mich doch mehr als nötig. Willst Du mir jetzt vorhalten, wie oft ich meine Mama besuche? Das wäre ja noch schöner! Heuer hast Du Dich überhaupt entschuldigen lassen, weil Du noch zum Friseur mußtest. Mama war sehr enttäuscht, sieht sie Dich doch sowieso immer nur am Muttertag.

Ja, ich gebe es zu. Heuer bin ich auch nicht früher dazugekommen. Jedenfalls, ich hole Dich immer jeden Monatsersten vom Heim ab, wenn Du Deine Mama besuchst. Was heißt, das wird nicht mehr nötig sein? Mama hat jetzt ein Konto! Bei der Bank? Das ist doch wohl die Höhe! Oberschwester Agnes hat es ihr vorgeschlagen? Und Deinen Bruder hat sie für das Konto bevollmächtigt. Eine Frechheit! Wo wir die ganze Arbeit mit der Mama haben!

Das hätte ich von Mama nie gedacht, daß sie uns so in den Rük-ken fällt. Es ist Dir doch wohl jetzt klar, daß das die Vertrauensbasis erheblich zwischen Mama und uns belastet. Wer hat denn den Heimplatz für Deine Mama besorgt? Wer hat denn dafür ge-

sorgt, daß das ganze alte Zeug von der Mama doch noch gewinnbringend unter die Leute kommt?

Das ist jetzt der Dank! Na, die alte Dame wird sich nächstes Mal etwas anhören müssen, das kann ich ihr nicht ersparen. Was interessiert mich ihr Blutdruck?

Was ist? Ob ich nicht etwas vergessen habe? Natürlich, mein Schatz, Du hattest ja auch Muttertag. Tut mir leid, ehrlich…

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