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Der Muttertag ist nachhaltig beschädigt. Ob Nationalsozialismus oder Frauenbewegung, Blumenindustrie oder Gastgewerbe: Jeder kocht auf der Rührung der Mütter sein Süppchen - und schöpft selbst die Fettaugen ab. Eine Polemik.

Eva, eine emanzipierte Frau in den 40ern, überlegt, heuer den Muttertag aus politischen Gründen abzusagen. "Wenn der Muttertag im Wahljahr politisch instrumentalisiert wird, lasse ich meinen privaten ausfallen." Natürlich, man hört schon die politischen Schalmeienklänge, die davon künden, dass nichts einer Frau gemäßer und nichts ein größeres Erlebnis sei, als ein Kind zu gebären. Im Kleingedruckten zum lieblichen Lied steht dann: weil wir Steuerzahler, Rentenfinanziers und Altenhelfer für uns selbst brauchen. Und die Frau ist dabei das Nadelöhr, durch das die Karawane der Rentenbezieher wie Bittsteller ziehen muss.

Aufopfernd und dankbar

Erliegt sie den lockenden Klängen und hält dann den kleinen Menschen im Arm, zieht die Karawane weiter. Nun darf die zur Mutter gewordene Frau das Wesen aufziehen, Windel-und Trotzphase überstehen und für halbwegs erträgliche Schulerfolge des Nachwuchses sorgen. Ihr Lohn sind ein Taschengeld für zwei recht kurze Jahre und körnerbeklebte Kartonscheiben zum Muttertag. (Nach ungefähr 20 Jahren kommt die Karawane wieder vorbei und wählt die besten, mutterumsorgten Sprösslinge für ihre Zwecke aus: Schließlich werden Soldaten und Atomphysiker, Altenhelfer und Politiker, Bankdirektoren und ein paar Mädchen für die Schönheitspflege dringend gebraucht.) Zurück bleibt die Frau Mama, die nun schauen muss, wie sie den Wiedereinstieg in den Beruf schafft, und die nun leider für vieles schon zu alt ist. Aber sie kommt, Gott sei Dank, auch mit wenig aus: das jahrelange Training hat sie vorbereitet.

Alles nur ein Klischee, ein Zerrbild? Gut möglich, denn wer weiß schon, warum es überhaupt einen Muttertag gibt? Ann Marie Reeves Jarvis, auf deren Todestag unser Muttertag am zweiten Sonntag im Mai zurückgeht, lebte Mitte des 19. Jahrhunderts in Amerika. Weil nur vier ihrer elf Kinder das Erwachsenenalter erlebten, engagierte sie sich für bessere sanitäre Verhältnisse, um die Kindersterblichkeit einzudämmen. Nach dem Ende des Bürgerkrieges in Amerika führte sie ihre Bewegung als "Mütter für den Frieden" weiter. Väter und Söhne sollten nicht länger für den Krieg geopfert werden. Seit 1914 ließ der amerikanische Präsident Woodrow Wilson den Muttertag offiziell feiern. Die Heilsarmee verkündete die Frauen-Frieden-Feiertags-Idee auch in Europa, und binnen eines Jahrzehnts wurde der Muttertag flächendeckend gefeiert - wenn auch in etwas abgewandelter Form. In Deutschland griff zuerst der Blumenhandel die Idee begeistert auf und anschließend - während des rund zehnjährigen Tausendjährigen Reiches - der Führer. Die Dekoration gebärfreudiger Mütter mit Kreuzen ist hinlänglich bekannt.

Nach den Herren in Braun zogen noch etliche Karawanen an den Frauen vorbei, stets eine eindeutige Botschaft im Gepäck. Die Frauenbewegung hinterließ die Parole "Mein Bauch gehört mir" und zog damit das Muttersein aus der Sphäre von Schicksal und Bestimmung. Aus der Gegenrichtung kam die katholische Kirche mit ihrer Idealisierung der (himmlischen) Mutter und der De-facto-Diskriminierung aller Frauen. Nicht minder laut tönte es aus der Karawane der Linken, die alle Frauen in Lohn und Arbeit und die Kinder in einer Kinderkrippe sehen wollte. Nie waren die Positionen miteinander kompatibel, schon gar nicht in Österreich.

Da stehen sie nun, die Mütter von heute, und hören Gedichte wie: "Mein allerliebstes Mütterlein / das eine glaube mir / sind meine Gaben auch recht klein / ich leg mein ganzes Herz hinein / und schenk's für immer dir." Das rührt wie selbstgestrickte Topflappen. Doch dem Muttertag entkommt keine. Nicht die kinderlose Frau, die noch froh sein muss, sich an Tagen wie diesen nicht rechtfertigen zu müssen, warum sie denn nicht ... Nicht die Emanzipierte, die lieber am 8. März den Frauentag feiert und gegen Bonbonniere und Maiglöckchenstrauß nur die schwachen Waffen des Wortes hat. Und auch nicht jene, die die feierwillige Gesellschaft mit einem "Elterntag" oder einem "Familientag" ablenken will. Da hilft kein Widerstand mit Fragen wie: "Warum wird nur meine Rolle als Mutter gefeiert und nicht auch meine anderen Rollen als Frau?" oder: "Warum sagt keiner, wie anstrengend Mutterschaft sein kann?"

Verwöhnt oder verzweckt?

Übrigens haben Evas Töchter gegen die Absichten ihrer Mutter, ihren "Feiertag" abzublasen, bereits vorsorglich Protest eingelegt. "Ich finde den Muttertag süß", sagt die 18-jährige Magdalena. "Einmal im Jahr muss man die Mutter schon verwöhnen, sonst ist es eh immer umgekehrt." Und ihre 16-jährige Schwester Christina stimmt mit ein: "Eigentlich sollte es mehrere solche Tage im Jahr geben, damit die Kinder ihren Müttern zeigen können, wie wichtig sie ihnen sind."

So reden die Jungen und ahnen nicht, welch Zwiespalt sie bald selbst erwartet. Dann, wenn die Karawane auch sie an ihre biologische Uhr erinnert - mit Schalmeienklängen am Muttertag.

Die Autorin ist Chefredakteurin der österreichischen Monatszeitschrift "Welt der Frau", die von der Katholischen Frauenbewegung herausgegeben wird.

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