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Digital In Arbeit

Kampf dem pensionsschock

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Als Vorschlag zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit war den Vertretern von Gewerkschaft, Wirtschaft und Politik wohl noch keine Idee absurd genug, um nicht als Ei des Kolumbus präsentiert zu werden:

Einmal soll die Arbeitslosigkeit durch pauschale Verlängerung der Schulzeit vermieden werden: Schüler bleib bei deinen Lehrern!

Dann wieder sollen jene, die Arbeit haben, zugunsten der Arbeitslosen statt 40 nur 38 Stunden die Woche werken. Motto: Jeder schneidet eine Scheibe von seinem Schreibtisch runter. Für die Kollekte der Schreibtischlosen!

Schließlich darf auch der Vorschlag nicht fehlen, die Pensionsgrenze nach unten zu drücken: Großväter macht Platz für die Jungen!

Es ist wohl müßig festzustellen, daß die Wirtschaft nicht ganz so frei von Geheimnissen ist, wie es die Produzenten solcher volkswirtschaftlichen Milchmädchenrechnungen glauben machen möchten.

Abgesehen davon aber stellt sich die Frage, ob es überhaupt wünschenwert ist, ja ob es dem Menschen gut tut, wenn ohne jede theoretische Grenze die Freizeit wachsen, die Arbeitszeit geringer werden soll?

Am deutlichsten zeigt sich am Beispiel der Pensionsgrenze, daß das Lizitieren in der Sozialpolitik einer neuen Ernüchterung gewichen ist: Seit man weiß, daß die Rate der Herzinfarkte im ersten Jahr nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsprozeß gigantisch hoch ist, seit man weiß, daß bis zu 50 Prozent der Altersheim-Bewohner im ersten Jahr ihres Heim-Daseins sterben, ist es nicht mehr das obmte’Tiel WfW zialpolitiker, die Menschen möglichst früh in dön Lebensabend zu entlassen.

Uber Parteigrenzen hinweg scheinen die Sozialpolitiker seit langem wieder einmal in einer wichtigen Frage einer Meinung zu sein: Ebenso wie ÖAAB-Bundesob- mann Herbert Kohlmaier warnt auch Sozialminister Gerhard Weissenberg vor einer weiteren Senkung der Pensionsgrenze: „Eine Abhilfe der Arbeitslosigkeit durch Schaffung von Freizeit, halte ich für sozialethisch völlig falsch” (Kohlmaier).

Mit ÖVP-Gesundheitssprecher Günther Wiesinger und ÖVP-Alten- politiker Hermann Withalm sind Weissenberg und Kohlmaier auch darüber einig, daß es wünschen wert wäre, den älteren Arbeitnehmern die Möglichkeit eines gleitenden Überganges in die Pension zu geben. Etwa in der Form, daß Frauen ab 55 und Männer ab 60 Jahren, wenn sie es wollen, einen Lebensabschnitt mit reduzierter Arbeitsleistung verbringen können.

Das derzeit geltende Sozialrecht ist leider der Vater des Pensionsschocks: Es kennt nur ein Entweder-Oder.

Nach dem ASVG hat jeder Mann mit 65, jede Frau mit 60 das Recht in Pension zu gehen. Mit einem Fuß im Beruf zu bleiben ist nicht vorgesehen: Hopp oder tropp!

Wer als Pensionist in einer neuen Tätigkeit mehr als 4542 Schilling verdient, verliert überdies den entsprechenden Teil der Pension.

Noch schlechter sind die sogenannten Frühpensionisten gestellt (jene, die bereits mit 60 bzw. 55 bei entsprechender Versicherungsdauer, Arbeitslosigkeit oder Berufsunfähigkeit in Pension gehen können): Sie dürfen nur 2435 Schilling dazuverdienen, wollen sie die ihnen wohl zustehende Pension nicht verlieren.

Eine unsinnige Regelung, die jedem älteren Mitbürger sehr gründlich die Freude an weiterer Arbeit verdirbt..

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