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Kanalfeger

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Was ein Straßenfeger ist, weiß nach dem Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft wohl jeder. Argentinien gegen Deutschland hieß das große Finale der familienfeindlichen Wochen, das die Fernsehapparate ebenso wie manche Ehefrau heißlaufen ließ und die Straßen entvölkerte.

Dem ORF muß man allerdings zugute halten, daß er Familienkrachs nicht provozierte. Selbst der eingefleischteste Fußballgegner konnte nicht guten Gewissens auf einen Kanalwechsel drängen, denn Alternativen wurden keine angeboten. Vielmehr erhielten Spielfilme aus der Ablage, nicht selten in Schwarzweiß, die Ehre, für das Hauptabendprogramm geeignet zu sein.

So konnte das Fußballfieber ungehindert grassieren und sich letzten Sonntag zur Seuche steigern, um dann jäh zu verebben.

Als Ausgleich durften letzten Montag die Immunen das Wort ergreifen. Vom pseudoweltfremden: ,J?ußball, was ist das, ist das nicht das, wo einige komische Figuren mit numerierten T-Shirts und heißen Hosen auftreten“ bis zum schlichten interessiert mich nicht“ fing „Sport am Montag“ ein Stimmungsbild der Außenseiter ein, die in den letzten Wochen von den Programmverantwortlichen nicht verwöhnt wurden.

Quasi als Therapie servierte das Fernsehen alles das frei Haus, was sich eine bereits Te^gJtterte~~^HtmSfrBm— gar nicht mehr zu sagen traute, wenn sie statt der Augen nur mehr runde Lederkugeln im Gesicht des Angetrauten ausmachen konnte.

Sicherlich ein geringer Trost, aber immerhin eine Geste gegenüber den Unterprivilegierten. Fraglich bleibt nur, ob das für sie genug Ausgleich ist für die bittere Erfahrung, daß Fußball nicht nur ein Straßenfeger, sondern auch ein Kanalfeger ist - gleichgültig was sie darunter verstehen.

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