6835924-1975_14_10.jpg
Digital In Arbeit

Keine Liebe in Knechtschaft

Werbung
Werbung
Werbung

„Die Zofen“, wohl eines der besten Dramen Genets, sind ein Problemstück vom Inhalt und von den Anforderungen her, die es an Interpreten und Zuschauer stellt. Wie soll das Publikum wissen, daß schon in der ersten Szene ein Spiel im Spiel geboten wird? Und doch sollte man, um das Stück richtig zu erfassen, wissen, daß nicht nur ein eigenartiges Verhältnis zwischen zwei Personen besteht, sondern zwei Zofen zugleich den Aufstand gegen die Herrschaft proben, wobei die eine die Rolle der Gnädigen, die andere die ihrer Gefährtin übernimmt. In den Demütigungen und Aggressionen, die zu diesem ritualisierten Rollentausch gehören, zeigen sie ihren Haß gegen die Herrin, gegeneinander und ihre zerstörerische Selbstve'rachtung. Die vielfachen Spiegelungen, die sich aus diesem Rollentausch ergeben, entfremden die Mädchen immer weiter ihrer eigenen Persönlichkeit.

Der Regisseur Harry Kalenberg akzentuiert das Spiel im Spiel noch stärker, indem er, einer Anregung Genets folgend, alle Frauenrollen mit Männern besetzte. Freilich entstand so die Gefahr des Karikatu-resken, ja Schwankhaften, wie man auch an der Reaktion des Publikums merkte. Dabei war mit der sorgfältigen Inszenierung eigentlich alles getan, was diese Gefahr hätte vermeiden können. Franz Kainrath und Raimund Folkert spielten die intellektuelle Solange und die anziehende Ciaire in Gestik und Ausdruck überzeugend. Kainrath machte die zunächst im Spiel vorweggenommene Selbstbefreiung durch den Mord glaubhaft. Volkert überzeugte als gequälte Ciaire, die sich schließlich aufrafft, ihre Schwester zum Mord an ihr selbst zu zwingen. Christian Ghera ließ am ehesten in seiner Rolle als dekadente und dumme Herrin die Gefahr des Schwankhaften aufkommen. Mit der rhetorischen und übersteigerten Sprache Genets kamen die beiden Dienstboten am besten zurecht. Sie taten alles, um den Identitätsverlust, den sie in ihrer sozialen Stellung erlitten, zu verdeutlichen, und zu zeigen, daß der dauernde Rollenwechsel und die Mehrdeutigkeit ihres Sprechens und Handelns bis zur Auflösung der Persönlichkeit führen kann.

So gewann das Stück eine bis zum letzten Augenblick steigende Dramatik, so daß Solanges Wiederfindung ihrer Persönlichkeit der notwendige Zielpunkt der Handlung wurde. — Das Bühnenbild von Peter Mühler mit seinem Jugendstilinterieur bot mit seinen vielen Spiegeln gut genutzte Möglichkeiten, die verschiedenen „Spiegelungen“ der Personen in den anderen auch symbolisch zu verdeutlichen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung