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Keine Lokal-Lyrik

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Jenseits der ausschließlichen Heimatliteratur befindet sich längst die friulanische Dichtung, bezieht sie doch ihre stolzen Wurzeln schon aus dem 13. Jahrhundert. Aber erst der mütterlicherseits aus Casarsa stammende Pier Paolo Pasolini initiierte die „Akademie der friulani-schen Sprache”, sodaß die Regionalliteratur schließlich Zug um Zug den Anschluß an die europäische Dichtung des 20. Jahrhunderts finden konnte. Pasolini war es auch, der fernab jeder ideologischen Verkürzung erkannte, daß die sprachliche Vielfalt einer Region eine wertvolle Bereicherung des Zentralstaates bedeutet, ja oft über die gesamte Nationalliteratur hinausreicht.

23 Lyrikerinnen und Lyriker treten nun in dieser Anthologie erstmals den Beweis dafür an, daß die friulanische Poesie der Gegenwart nicht nur im Folklorismus verenden muß, sondern vielmehr autoch-thoner Ausdruck eines eigenen Lebensgefühls, von Siedlung, Sitte und Landschaft ist. Allerdings ist im die Gegend verformenden Indu-strialismus und Konsumismus wenig Platz für romantische Gefühle geblieben, doch es ist schon so, wie Amedeo Giacomini in seinem klugen Nachwort bemerkt, daß nämlich ein Dichter beim Durchqueren eines Ortes, einer Landschaft, nicht nur ihre physische „Geografie” ändert, sondern auch und vor allem die moralische.

So ist diese Gedichtsammlung ein herausragendes Paradigma für eigenständiges, gleichwohl aber all-y gemein gültiges Schrifttum geworden, das jedem an Lyrik Interessierten wirklich ans Herz gelegt werden muß. Und es wird sicher nicht die „kleine Welt” sein, die sich dem einfühlsamen Leser auftun wird. Man kann froh sein, daß solche kulturelle Unternehmungen noch ausreichend gefördert werden.

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