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Kirche: Inquisition schon überwunden?

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Diese provokant anmutende Frage stößt sicher auf Widerspruch, und zu Recht bei jenen, die jetzt an die in Polen bewiesene Solidarität der Kirche mit den Arbeitern denken oder an die so­zialen Hilfsprogramme in und für un­terentwickelte Länder, mit welchen die Kirche Arme und Unterdrückte unter­stützt.

Und trotzdem stellte sich mir die Frage genau in dieser Weise, als ich mich mit den historischen Fakten zur Zeit Galileis auseinandersetzte und Be­ziehungen zur heutigen Situation her­stellen konnte.

Um das frappante Ergebnis vorweg­zunehmen: Die Inquisition wurde nicht abgeschafft, sondern ist nur insofern „humaner“ geworden, als daß sie heute keine „Instrumente“ mehr benutzt.

Dabei stieß ich in einem Lexikon auf folgendes interessante Faktum: „Papst Paul III. übertrug 1542 die Inquisition einer Kardinalskommission, die nach mehrfacher Umorganisation heute über die Glaubens- und Sittenlehren zu wachen hat.“

Hat sich auch die äußere Form dieser Inquisition geändert, so ist das innere Wesen doch dasselbegeblieben: Waren es damals die Wissenschafter, die we­gen ihrer Ansichten in Ungnade fielen (Kopernikus, Galilei) und sogar ver­brannt wurden (Giordano Bruno), so sind es heute Kritiker der Kirche (Hans Küng) oder Glaubensgemeinschaften, die von der Kirche als „Sekten“ ab­geurteilt und somit zu „Ketzern“ ge­stempelt werden...

Daß die Kirche anno dazumal die fal­schen Methoden und den falschen Weg einschlug, wird heute wohl von keinem Katholiken bestritten. Daß aber mit ve­hementen Vorurteilen noch heute gegen Andersdenkende vorgegangen wird, möchte ich nur an zwei Beispielen auf­zeigen: Die „Zeugen Jehovas“ (ZJ) und die „Vereinigungskirche“ (VK).

Von beiden Glaubensgemeinschaften hatte ich Gelegenheit, Mitglieder ken­nenzulernen, die mich in persönlichen Gesprächen von der Christlichkeit ihrer Ziele und von der Ehrlichkeit ihres Charakters überzeugen konnten. Denn daß dem so ist, ist eine wirkliche Über­raschung, kennt man zunächst nur die Kampfschriften, die gegen diese Ver­einigungen, zum Teil von den Massen­medien, zum Teil von offizieller kirchli­cher Seite, publiziert wurden (und noch immer werden).

So z.B. die des Pfarrers Friedrich-W. Haack, seines Zeichens „Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfra­gen“, der von „Seelenwäsche“ bis zur „erzwungenen Persönlichkeitsver­Aus der Schülerzeitung „media" (Mürzzuschlag)

wandlung“ von Mitgliedern der VK zu berichten weiß ...

Ähnlich die Faltblätter über Zeugen Jehovas und Vereinigungskirche, als deren Eigentümer die Erzdiözese Wien, Herausgeber und Verleger das Erzbi­schöfliche Pastoralamt zeichnen.

Auffallendes Merkmal beider: Die eine Schrift unterscheidet sich kaum von der anderen. Das ist insofern sym­ptomatisch für die Unfähigkeit der In­quisitoren (um dezidiert nur von jenen Vertretern der Kirche zu sprechen, die derartige Schriften publizieren oder für vertretbar halten), zwischen den einzel­nen Glaubensgemeinschaften zu diffe­renzieren, da ich sehr wohl starke Un­terschiede in den Anschauungen von VK und ZJ feststellen konnte...

„Nach ihnen (den Anhängern der VK, d. Red.) wurde Adam 4050 v.Chr. geschaffen“ ... „Derzeit setzen die Zeugen Jehovas die Erschaffung Adams für das Jahr 4026 v. Chr. an“...

Hier handelt es sich wohl um eine peinliche Verwechslung. Stimmt die Aussage zwar in bezug auf die ZJ, so ist sie auf die VK bezogen sachlich völ­lig falsch, doch das können die Inquisi­toren natürlich nicht wissen, denn sie selbst machen offensichtlich von ihrem Erfolgsrezept intensiv Gebrauch:

„Bei der Begegnung ... weisen wir ihnen daher höflich, aber entschieden die Türe und verbitten uns weitere Be­suche. Wir kaufen ihnen auch keine Schriften ab, denn dies hätte nur weite­re .Bekehrungsversuche’ zur Folge. Wir tragen die brüderliche Verantwor­tung für alle um uns, in Familie, Haus­und Berufsgemeinschaft, die durch Zeugen Jehovas gefährdet sind.“

Es muß doch wirklich jeder gerührt sein, wie besorgt das Kirchenamt um seine Schäfchen ist. Diese Fürsorge ist anscheinend charakteristisch für die In­quisitoren, so konnte ich in der Bro­schüre „Die Sakramente“ nachlesen:

„Man kann nicht genug betonen, was für eine große psychologische Be­deutung das Sündenbekenntnis vor dem Priester hat. Beim Sakrament geht es um unendlich mehr: es handelt sich um einen Versöhnungsakt mit der Kir­che, denn jede Sünde verletzt die Kir­che."

Man lernt nie aus! Dachte ich doch ernsthaft, mit einer Sünde würde ich Gott verletzen.

Wenn da die Kirche den Glaubensge­meinschaften „Absolutheitsansprü­che“ vorwirft, so wird hier klar, daß sie damit nur der Angst Ausdruck verleiht, ihre eigenen Absolutheitsansprüche zu verlieren.

Aus der Schülerzeitung „media“ (Mürzzuschlag)

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