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Kirchenmusik aus den USA

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Nach den Pflichtübungen des „The University of Connecticut Concert Choir“ in Wiener Klassik und deutscher Romantik mit dem Unbehagen in der ungenügenden Orchesterbegleitung der „Missa brevis“ in B von Mozart, der Unausgeglichenheit der Stimmen im Chor und bei den Solisten, begann das eigentliche Kirchenkonzert in der Basilika minor zu den Schotten in Wien erst mit dem Psalm 90 des Amerikaners Charles Edward Ives (1874—1954). Arnold Schönberg schrieb über Ihn: „Ein großer Mensch lebt in diesem Land. Er hat die Lösung für das Problem gefunden, wie man sich zu bewahren lernt. Er reagiert auf Geringschätzung mit Verachtung und er fühlt sich nicht gezwungen, Lob oder Tadel zu akzeptieren.“ Der vorzüglich dargebotene Psalm brachte die ganze Spannweite seines religiösen und musikalischen Bekenntnisses zum Ausdruck. Noch lange vor der europäischen Moderne geschrieben, betritt er bisher unbeschrittene Pfade der Polytonalität, der Atonalität, des dissonierenden Kontrapunkts, der Polyrhythmik und Polymetrik. Schon im Orgelvorspiel mit dem originellen Ostinato (Ives war schon mit 13 Jahren Organist an verschiedenen Kirchen semer Heimat) verspürt man die Sicherheit des Menschen, der mit dem Psalmisten über „Nattern, Schlangen, Löwen und Drachen“ der inneren und äußeren Beckmesser triumphiert. Mit dem psalmodierenden Chor und den bewegenden Unisonogesängen werden in wildem Aufschrei die Nöte und Ängste der kommenden Unheilsjahre vorweggenommen, Ängste, die sich erst beruhigen, bis Glockenschlag die echte Geborgenheit bei Gott ankündigt. Der bisher durch eine unglückliche Aufstellung im Presbyterium behinderte Chor war nun von der Orgelempore singend wie verwandelt und erbrachte im erschütternden Werk seines Landsmanns unter der Leitung John Poelleins eine einmalige Leistung.

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