Sie haben ja recht. Endlich tut sich etwas an den zukunftsträchtigen Freitagen. Jugend ist politisch. Wollen die Welt retten. Ist auch Zeit. Endlich die Erwachsenen ein bisschen vor sich hertreiben. Ideale Ikone: Mädchen, 16 Jahre, Asperger, klug, selbstbewusst. Und doch ist Unbehagen dabei.
(1) Endlich kann die Freude am Protest wieder einmal ausgelebt werden. Eltern und Großeltern hatten schon recht mit ihren verklärten Erinnerungen an das Kollektiverlebnis Demonstration. Auch wenn es heutzutage eher konformistischer Vorzeige-Individualismus nach dem Influencer-Modell ist.
(2) Die penetrante Moralisierung ist einer rigiden Komplexitätsreduktion geschuldet. Sonne! Wind! Elektroauto! Aber die Geräte sind nicht emissionsfrei, das Speicherproblem ungelöst – darüber muss man nicht nachdenken, wenn es um Moral und Überleben geht. Wie schwierig wäre es doch, wenn man finanziellen Aufwand bedenken, wirtschaftlichen Absturz verhindern und sozialpolitische Rücksicht nehmen müsste. Da waren die Limits of Growth von einem anderen Kaliber.
(3) In den 1960/70er-Jahren ist man poppig gegen Widerstände angerannt. Heute läuft die Sache besser: Protest gegen Eltern, Etablierte und Machthaber trifft auf begeisterte Resonanz bei ebendiesen. Mit Vehemenz offene Türen einrennen. Risikoloser Protest. Was will man mehr?
(4) Ist es subtiler Themenwechsel? Das urban-linksliberale Milieu hat den Kampf um die unbegrenzte Migration, den jüngsten Versuch zur Rettung der Menschheit, verloren, aber das Ökothema bietet ein akzeptables Substitut, um moralische Überlegenheit zu demonstrieren.
Man tut sich schwer mit so viel Selbstgerechtigkeit. Diese findet sich auch auf der anderen Seite, beim unangebrachten Spott über Greta. In der Öko-Sache haben die Protestierer ja recht. Wirklich. Wenn sie sich nur auf die Sache realistisch und nüchtern einlassen wollten.