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Krampoline & Nikolausia

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Männer okkupieren die Rolle des Gefährlichen und Wilden mehrheitlich für sich.

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Männer okkupieren die Rolle des Gefährlichen und Wilden mehrheitlich für sich.

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Krampus und Nikolaus sind männlich, der höllische und der himmlische Macho, herrschend, züchtigend, drohend. Wo bleibt die geschlechtsneutrale Ausschreibung! Archaische Relikte des Männlichkeitskultes, entweder völlig abzulehnen oder einem Brauchtumsregelungsgesetz zeitgemäß zu unterwerfen. Während die Frauenministerin mit ihren Ratgeberinnen darüber nachsann, entstanden, wie häufig in Österreich, Kompetenzschwierigkeiten. Fiel das Problem nicht in das Wissenschaftsressort (Volkskunde)? Oder gehört es zu Verkehr und Sicherheit (Innenpolitik)? Oder steht es dem Theater und der Kunst näher (Kultur)? Oder betrifft es die Familie und die Umwelt?.

Fünf Ministerien also, die in heikel zu besetzenden Ausschüssen über das BRAUREGE (Brauchtumsregelungsgesetz), im Volksmund Krampus-Paragraph, zu entscheiden haben. Auf einen EG-Entscheid aus Brüssel zu warten, kommt aus föderalistischen Gründen nicht in Frage.

Die Ausschreibung, so stellte sich bei den Beratungen heraus, ist keineswegs so frauenfeindlich wie es den Anschein hat. 72,3 Prozent der in Österreich agierenden Nikoläuse sind nämlich unter der Maske weiblichen Geschlechts. Die Perfidie besteht also darin, daß hier Frauen als Männergestalt mißbraucht werden. Bei den Krampussen besteht allerdings ein männlicher Überhang. Nur 24,8 Prozent der Krampusse werden von Frauen dargestellt. Ein Beweis dafür, daß Männer die Rolle des Gefährlichen und Wilden mehrheitlich für sich okkupieren.

Die Frauenministerin, die selbstverständlich den BRAUREGE-Aus-schuß dominierte, forderte einen bedingungslosen Ausgleich. Das heißt: Ein Viertel der bisher als Nikolaus tätigen Frauen ist in Krampusse umzupolen, während sich Männer an ihrer Stelle als Nikolaus zu verdingen haben. Der Einwand von Volkskunde-Konsulenten, daß dadurch die Krampusse zu sanft würden, wurde vom Familienministerium sogar begrüßt.

Die zweite Forderung ist entscheidender. Auch die äußere Erscheinung ist zu quotieren. In einer Zeit, in der es sogar schon weibliche Bischöfe gibt, ist nicht einzusehen, daß Nikolaus stets im männlichen Habitus auftritt. Vielmehr soll künftig Nikolausia Gaben und milde Rügen verteilen. Ein Journalist wagte an dieser Stelle den vorwitzigen Einwand, daß hier eine Gefahr bestehe. Es sei in vielen Gegenden Brauch, daß der Nikolaus, um seine Echtheit zu prüfen, „begrapscht” werde. Zu welchen Folgen sexueller Belästigung könnte der Einsatz von Nikolausia daher führen?

Dasselbe gilt auch für Krampoline, den weiblichen Krampus. Nur daß die wehrhafte Ausstattung (Kette, Rute et cetera) eine spontane Zurückweisung von Grapschern erleichtert. Über die weiblichen Attribute von Krampoline herrscht überhaupt noch Unklarheit. Woran ist das Weibliche zu erkennen? Vorbilder wie bei der Adjustierung der Bischöfinnen gibt es nicht. Und die einzige weibliche Assoziation, die auf des Teufels Großmutter hinausläuft, wäre bestenfalls im Walpurgisnacht-Kostümfundus des Theaters zu finden.

Ungeachtet dieser legislativen Schwierigkeiten tritt der Ausschuß dafür ein, zunächst einen freiwilligen Bewußtseinswandel durch Aufklärung herbeizuführen. Appelliert wird vor allem auch an den Süßwarenhandel, der bisher die Osterhasen ausnahmslos in männliche Nikoläuse und Krampusse umpapierlt und dadurch dem archaischen Männlichkeitskult Vorschub leistet. So werden frauenfeindliche Vorurteile genährt.

Die Frauenministerin verlangt sofortige Abhilfe und ruft zum Boykott der männlichen Gestalten auf. Dies könnte insoferne wirksam sein, als 93,5 Prozent der Krampusse und Nikoläuse von Frauen gekauft werden, die daher in ihrem Konsumverhalten großen Einfluß auf die mit dem BRAUREGE geplanten Reformen haben.

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