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Kreiskys falsche Signale

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Einer der Gründe dafür, warum Rudolf Kirchschläger so populär ist, liegt in seiner glaubwürdig ausgeübten Beispielfunktion. Er findet das rechte Wort in rechter Stunde, vermeidet die falsche Geste und läßt niemals Zweifel an der Deckungsgleichheit von Wort und Tat, Überzeugung und Leben sprießen.

Mit solchen Eigenschaften unterscheidet sich ein Staatsmann vom bloßen Politiker, von dem der Durchschnittsbürger vor allem Taktik, Streben nach Tagesvorteil und Stimmenjagd erwartet. Die Beispielsdimension des Staatsmannes aber bleibt Bruno Kreisky immer öfter schuldig.

In einer Zeit, da die Schandparole „Polen raus!“ an unseren Mauern auftauchte, hätte es eines klaren Signals des Bundeskanzlers bedurft, das Fremdenhaß und Polenhetze die moralische Legitimation entzogen hätte. Statt dessen kam der Visumzwang.

Kreiskys Polen-Kommentare reichten von der Linzer Rede („Mehr arbeiten und Kohlen liefern“) bis zum ersten Kommentar am Sonntag, der nahezu wortgleich mit dem des KPO-Chefs Muhri war: Vielleicht sei „das Ärgste“ damit verhindert worden …

Wie ansteckend eine solche Haltung ist, konnte man täglich sehen: Im Nationalrat sprach ein prominenter Parteifreund des Kanzlers von der „Plage“, zu der die Polenflüchtlinge geworden seien, und „Kronen-Zeitungs“- Staberl wollte gleich eine Volksabstimmung über die „staatliche Ausfütterung“ der Polen veranstaltet sehen.

Kein Wunder also, daß der Abgeordnete Ludwig Steiner für seine mannhaften Polen-Worte im Parlament eine Flut von Schmähbriefen erntete.

Wenige Tage vor diesen Ereignissen hatte Österreichs Bundeskanzler dem PLO-Capo Jassir Arafat dessen öffentlichen Freudenausbruch über die Ermordung Sadats in aller Form vor aller Welt vergeben: eine bestürzende Geste zur Unzeit und in einem Umfeld, das auch noch die Mißdeutung als schnöde Erdölpolitik fast nahelegte.

Gewiß: Es war und bleibt ein Verdienst, mäßigend auf die PLO einzuwirken, ebenso wie es gute Gründe gab, die Entwicklung in Polen mit wachsender Sorge und kritisch auch gegenüber den Reformkräften zu verfolgen.

Aber ein Regierungschef muß, wenn er an Stelle differenzierender Analysen die öffentliche Geste setzt, sich eine solche zwei- und dreifach überlegen.

Die Freundschaftskundgebungen für Arafat begünstigen ebenso wie Kreiskys wiederholte Tiraden gegen Menachem Begin oder Simon Wiesenthal den lauernden Antisemitismus, seine Polen-Linie kommt der Fremdenfeindlichkeit in Österreich entgegen.

Beides hat Kreisky nicht gewollt. Aber er kann nicht behaupten, das nicht gewußt zu haben.

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