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Kriterium Allotria

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In der Dichtung wird eine zweite tieferliegende Schicht spürbar, Dichtung ist doppelbödig. Das wird auch heuer wieder in der neuerlichen, im Vorjahr viel gepriesenen Aufführung des ebenso bitteren, wie reich facettierten Lustspiels „Leonce und Lena“ von Georg Büchner im Rahmen der Salzburger Festspiele im Landestheater nur wenig erkennbar.

Das Faszinierende an diesem Stück ist die Spannung in dem Prinzen Leonce zwischen dem Hineinhorehen in sich, Hinauslhorchen aus sich heraus, der vielerlei Allotria, die er treibt, und der Verzweiflung am Zustand der Welt, der Grundbefindlichkeit des Daseins, die von alledem verdeckt wird. Das solcherart Zweischichtige in Leonce kommt im Spiel von Klaus Maria Brandauer nicht eindringlich genug heraus. Das Liebenswürdige herrscht bei ihm vor.

Ansonsten erweisen sich abermals die erheblichen Vorzüge der Regie von Johannes Schaaf: das Heraustreiben der müßiggängerischen Langeweife des Prinzen durch Dehnung des kurzen Stücks auf fast drei Stunden Spieldauer, die Ballung des in seiner Devotion scharf karikierten Hofstaats, die Bekleidung des nackten Königs durch vier Liliputaner, das Tanzen des Valerio auf einem Seil, wie auch die nach vorne zu kugelige Spielfläche — Bühnenbild Wielfried Minks —, auf der das unsicher Zwiespältige des Leonce durch die Unsicherheit des Gehens und Stehens auf dieser Fläche optisch umgesetzt wird. — Neu ist Heidelinde Weis als Rosetta. Das Anschmiegsame ist bei ihr ebenso glaubhaft wie die Bitternis des Abgeschobenwerdens. Neu sind in kleinen Rollen Johannes Schaaf selbst als Hofmeister, Erland Erlandson als Zeremonienmeister. Beifall nach jeder Szene.

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