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Kritische Ecke

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Den Lateinunterricht wollen viele an den Schulen abschaffen. Was aber an lateinischem Sprachgut in uns weiterlebt, läßt sich nicht so schnell eliminieren. Daher wird man noch etliche Zeit auf Korrektheit bei der Verwendung lateinischer Ausdrücke bedacht sein müssen. Was man diesbezüglich an immer wiederkehrenden Verstößen erfährt, ist mehr als genug.

Da ist etwa die lateinische Gebetssprache der Kirche manchen völlig in Vergessenheit geraten. In Fernsehfilmen wird „In nomine pa-tris et fiIii et Spiritus sanetus” (statt saneti) getauft.

Auch in Büchern begegnen wir ähnlichen Fehlern. In dem Roman von Wilhelm Georg Resch „Ein Jahr Fegefeuer für Michael Johann Kaßwurm” (Lizenzausgabe bei Donauland, Wien 1973) lesen wir auf Seite 132: „De profundisclamavi ad de (statt te)”. „Domini (statt Domine) exaudi vocem meam”. „Requiem aeternam donna (statt dona) eis, Domine”. Auf Seite 210 desselben Buches: „In nomine Patri (statt Patris) et Filii...”.

Bei einer Neuinszenierung von Lessings „Emilia Galotti” im Salzburger Landestheater (Premiere am 28. Oktober 1979) erfand der Regisseur (Walter Riss) eine Situation, die bei Lessing nicht vorkommt: Er installierte im 6. Auftritt des zweiten Aufzugs im Hause Galotti einen kleinen Marienaltar mit einem Betschemel davor. Dort ließ er die verstörte Emilia niedersinken und ebenfalls in Abweichung von Lessing - ein Ave Maria beten in folgendem Wortlaut: „Ave Maria, gratia plena, dominus tecum bene-dictus (statt benedicta) tu in mulie-ribus...”

Selbst eine Schriftstellerin wie Gertrud Fussenegger greift daneben: In ihrem Lebensbild „Ein Spiegelbild mit Feuersäule” (Stuttgart 1979) steht auf Seite 387 „infiszie-ren” (statt „infizieren”).

Eine originelle Pluralbildung hat sich der seinerzeitige Außenminister Bielka geleistet. In einem Fernsehgespräch vom 22.2.1976 ging es um die (später tatsächlich erfolgte) Aufhebung des Visumzwanges bei Reisen von Österreich nach Ungarn. Als Plural von „das Visum” (Sichtvermerk) gebrauchte er einmal „die Visas”, dann „die Visums”.

Selbst Latein und Griechisch können manche nicht mehr unterscheiden. In einem parapsychologischen Buch von Thorwald Dethlef-sen „Das Erlebnis der Wiedergeburt” (Goldmann Sachbuch 680, München 1978) steht auf Seite 59: Reinkarnation (griechisch-Wieder-fleischwerdung) jeder Gymnasiast muß schon wissen, daß das Wort aus dem Lateinischen kommt!

Autor, Lektor, Korrektor? Bei einem von ihnen muß die Schuld liegen!

(Der Autor ist emeritierter Universitätsprofessor für österreichische Literaturgeschichte in Salzburg).

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