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Digital In Arbeit

Länger schlafen

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Das ist zwar noch nicht medizinisch bewiesen — noch nicht —, aber lang kann es nicht mehr dauern. Die Vernunft spricht eindeutig für die Langlebigkeit der Langschläfer.

Zuerst einmal: Wer im Bett liegt, kann nur schwer einem Unfall zum Opfer fallen. Wer weiß, welchen Input die Unfallkrankenhäuser so täglich haben, der glaubt an die Wirkung des Langschlafes.

Dann: Wie wir alle wissen, ist gerade am Morgen auf den Straßen der Teufel los. Jeder will zurecht in die Arbeit, und wer in die Arbeit gleitzeitet, der möchte erst recht durch den Tritt aufs Gaspedal ein paar Minuten herausschinden. Parkplatzsuche, Mor-gengrant des Chefs und der Mitarbeiter geben noch den Rest.

Das alles erspart sich ein Langschläfer. Wenn das nicht sein Leben verlängert!

Aber das ist noch nicht alles. Langschläfer sind ausgeschlafen, und wer ausgeschlafen ist, der ist freundlich, und wer freundlich ist, den mag man, der ist glücklich, und wer glücklich ist, der lebt länger. Jetzt sind wir wieder dort.

Das bißchen Arbeit, das ein Langschläfer versäumt, das holt er mit seiner erschlafenen Energie spielend nach. Außerdem: Wahre Langschläfer schätzen mehr den Schlaf als die Arbeit, sonst wären sie ja keine Langschläfer. Nur Arbeitstiere suchen noch immer das Gold im Mund dieser ominösen Morgenstund.

Uberhaupt ist das Langschlafen mehr als nur lang schlafen - es ist eine Weltanschauung, eine Philosophie.

Was hätten wir uns doch alles erspart, wären unsere Politiker, Feldherrn und Generäle Langschläfer gewesen!

Und wer die Vögel als angebliche Frühaufsteher ins Treffen führt, der vergißt, daß Vögel leicht früh aufstehen können, wenn sie nicht in die Arbeit müssen.

Schicken Sie eiamal einen Papagei tagtäglich ins Walzwerk, der wird liebend gern zum Langschläfer.

Daß die Langschläfer so in Verruf gekommen sind, liegt einzig und allein an ihrer politischen und wirtschaftlichen Ohnmacht. Denn wer schläft, kann nicht politisieren, und verdienen tut er auch nichts, außer er ist Probeschläfer in einer Polstermöbelfabrik. Aber auch das ist eher unbequem, so wie alles unbequem ist, was man tun muß und nicht nach eigenem Gutdünken tun darf und kann.

So schwarz auch die Zeiten für Langschläfer sind, eine Gewißheit dürfen sie haben: die eines langen Lebens.

Schließlich, wer schon einen Großteil seines Lebens verschläft, der verdient gerechterweise auch einen Ausgleich, so schlaflos er auch sein mag.

Aus: LANGSCHLÄFER LEBEN LÄNGER. Heitere Satiren. Von Hans Dieter Mairinger. Mit Illustrationen von Rudolf Nemec alias „Florian“. Landesverlag, Linz, 1985.

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