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Leben in der Stadt"

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Die Erkenntnis setzt sich durch, daß in der Stadtflucht nicht die Chance für ein besseres Leben liegen kann. Hier hakt Garbrechts Plädoyer für das Gehen ein: Er räumt mit der Utopie auf, bei Eintreten der Vollmotorisierung wären alle übrigen Verkehrsteilnehmer eine vernachlässigbare Größe. Denn selbst dann wäre noch gut die Hälfte der Bewohner der Stadt auf das Gehen angewiesen.

Gehen ist am besten geeignet, Lebenseindrücke, den Bezug zum Umraum, das Erlebnis des Weges und des „Balletts der Straße" (J. Jacobs) zu vermitteln. Durch Anpassung an den Autoverkehr hat die Straße diese Funktionen verloren. Gehen ist gefährlich geworden.

Garbrecht beschreibt ausführlich die Bedeutung des Gehens für die Lebensabschnitte des Menschen und die Folgen der Zuordnung des Menschen zu einer Statusleiter, die durch Benutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel gebildet wird. Er geht auch auf die Gefährdung der Kinder durch autoorientierte Erziehung ein.

Die traditionelle Verkehrsplanung vernachlässigt das Gehen, es fehlen Daten und Konzepte. Nur, die wirtschaftliche Folge freizügigen Gehens ist evident: Umsätze und Bodenpreise steigen an, in Straßen mit starkem Autoverkehr ist es umgekehrt.

Auch werden die immer karger werdenden Mittel der Städte noch immer lieber für den Autoverkehr verbraucht; als Alibi schafft mart teure Fußgängerzonen in den Zentren. Die notwendigen großräumigen Verkehrsberuhigungen aber unterbleiben. Garbrecht regt an, die Fußgänger mögen sich gegen gefährdendes Verhalten von Autofahrern, gegen Falschparker aktiv zur Wehr setzen (Zettel an die Windschutzscheibe etc.)

Der Autor wird sich dem Vorwurf, er verteufele das Auto, nicht leicht widersetzen können; zu tendenziös sind seine Interpretationen, zu sehr bezieht er Stellung gegen das Auto, übersehend, daß es sehr wohl wichtige Funktionen erfüllt. Dennoch: ein wichtiges und anregendes Buch.

GEHEN. Plädoyer für das Leben in der Stadt. Von Dieter Garbrecht. Beltz Verlag, Basel und Weinheim 1981. 231 Seiten, öS 144,40.

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