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Lech Walesa und der „Bungy Jumper"

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Natürlich gehört Mut dazu, sich am Gummiband von der Kärntner Jauntal-brücke 82 Meter wie ein menschliches Jo-Jo in die Tiefe zu stürzen. Jörg Haider, der „Bungy Jumper".

Das kalkulierbare Risiko der Selbstüberwindung - das Gummiseil hält vier Tonnen Belastung aus - braucht Haider zur Selbstbestätigung: Der Jörg, der traut sich was. Show um der Show willen, die das Extraordinäre der Person unterstreichen soll. Ein schneidiger PR-Gag, der sonst keinem nützt.

Hat nicht wesentlich mehr Mut dazugehört, in Polen gegen das kommunistische Regime anzutreten? Der Danziger Werft-Elektriker Lech Walesa ist schon Mitte der siebziger Jahre ein unabschätzbares Risiko eingegangen, erst recht nach der Verhängung des Kriegsrechtes vor einem Jahrzehnt. Arbeitslosigkeit, Haft, Internierung, Untergrundarbeit - und nirgendwo ein Gummiseil, das ihn und seine Familie existenziell gesichert hätte. Ein Kampf, keine Show. Ein Kampf für Freiheit und Menschenrechte, nicht auf den eigenen Vorteil bedacht, sondern bereit, schwerwiegende Nachteile auf sich zu nehmen.

Walesa hat wirklichen Mut bewiesen. Denn wirklicher Mut ist, Arthur Schnitzler hat es treffend formuliert, die völlige Bereitschaft, für eine Idee -ohne den geringsten persönlichen Vorteil - ,leid, Qual und Tod auf sich zu nehmen".

Und da muß sich dieser Mann, heute Polens Staatspräsident, von einem „Bungy Jumper" schmähen lassen? Was hat denn Jörg Haider, der geckig seinem jugendlichen Image nachspringen muß, vergleichsweise geleistet?

Zu verbalen Schlenkerern und Grobheiten - und ganz überwiegend macht der FPÖ-Obmann damit, nicht jedoch durch eine konkrete politische Tat von sich reden - braucht es keinen Mut. Da reichen Keckheit und Unverfrorenheit auch.

Mut, ja Mut könnte Jörg Haider durchaus beweisen, wenn er sich bei Walesa und den Polen jetzt entschuldigt. Das erforderte freilich eine Selbstüberwindung, die jene auf der Jauntal-brücke beachtlich überträfe. Dazu reicht es nicht.

Zwei Politiker, zwei Welten: hier eine bahnbrechende Persönlichkeit, die dem Kommunismus Freiheit und Demokratie im europäischen Osten abgerungen hat, da ein Wohlstandskind, das vom Ärmelaufkrempeln der Vätergeneration auch nur vom Hörensagen und durch Erbschaft weiß.

Jedes Volk hat die Politiker, die es verdient? Das haben sich die Kärntner nicht verdient.

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