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Liebe

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Während Glaube und Hoffnung im paulinischen Sinne Vorgriffe und Vorwegnahmen des Endgültigen, Bilder und Schleier des Eigentlichen, das noch aussteht, sind, ist die Liebe das Endgültige und daher die höchste, Glaube und Hoffnung in sich umfassende, der drei göttlichen Tugenden. Glaube und Hoffnung haben vorläufigen, die Liebe aber dauernden, der Ewigkeit standhaltenden, ja sie ausmachenden Charakter.

So wie Gott in seiner trini-tarischen Liebesbeziehung ein Leben der Fülle besitzt, das ihn dazu drängte, wenn auch nicht dazu zwang, diese Fülle Geschöpfen mitzuteilen und Anteil daran haben zu lassen, so ist kraft der ana-logia entis auch der Mensch befähigt, zu lieben und etwas von dem Geschenkten weiterzugeben. Die menschliche Liebe ist ein Abglanz der göttlichen, die ihr nicht nur zeitlich, sondern auch der Intensität nach vorauseilt und deren Möglichkeiten uberbietet.

Denn die menschliche Liebe vermag auch im besten Falle, der selten genug ist, nicht an die göttliche heranzureichen, die Liebe des Menschen gegenüber Gott ist nicht vom gleichen ontologi-schen Rang wie die Liebe der drei göttlichen Personen untereinander und die Liebe Gottes zum Menschen, die der Mensch zwar erwidern, aber nicht adäquat paralleli-sieren kann.

Die menschliche Liebe zu Gott bleibt auch in der Endgültigkeit Anschauung in der unaufhebbaren Distanz zwischen dem Ewigen und Endlichen, das zwar erhöht und unsterblich gemacht werden kann, deswegen aber doch ein ens ab alio bleibt.

Es darf uns daher nicht wundern, wenn die Liebe der Menschen untereinander, ob es sich um Ehe oder Freundschaft handelt, in noch höherem Maße Distanz und nicht Identität ist, wenn die Entfremdung auch die menschlichen Beziehungen befällt und für Trennung, auch schon unter Lebenden, sorgt.

Auch die Anschauung Gottes bedeutet nicht pantheisti-sche Ineinssetzung und Verschmelzung, umso weniger kann die Liebe der Menschen zueinander die Distanz und Singularität, die zwischen Menschen waltet und sie auszeichnet, aufheben.

Und daher ist die Liebe zwar der höchste Aufschwung, dessen der Mensch fähig ist, aber auch er vermag den Menschen nicht völlig von seiner Einsamkeit, die vielmehr ein Vorrecht und eine Last des Menschen gleichzeitig ist, zu befreien. Daher kann die Liebe nur die zeitweilige Überschreitung der Grenzen, aber nicht deren völlige Aufhebung sein.

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