6988903-1986_37_19.jpg
Digital In Arbeit

Liebesentzug

Werbung
Werbung
Werbung

(Akademietheater, Wien; „Ritter, Dene, Voss“ von Thomas Bernhard) Schlag' nach bei Tucholsky: Das Theaterpublikum will überrascht werden, aber nur mit etwas, das es schon kennt. Thomas Bernhard erfüllt ihm virtuos diesen Wunsch. Immer wieder schüttelt er das Kaleidoskop seiner Obsessionen zu neuen Figuren und Figurationen.

Im neuen Stück fehlt die Beschimpfung, die Wien mittlerweile kulinarisch genießt. Es wäre unvorsichtig, darin ein billiges Entgegenkommen zu sehen. Eher handelt es sich um eine raffinierte Form Bernhard'scher Züchtigung. Nicht nur, weil Schimpfen emotionale Zuwendung und Beschimpfungsentzug somit eine Art Liebesentzug bedeutet.

Die Liebe der Schwestern im Stück, Kirsten Dene und Ilse Ritter, gilt dem ins Irrenhaus reti-rierten Philosophen Ludwig (Gert Voss), Wittgenstein geistert in dessen Monologen. Somit hat dieses Stück mit Geist zu tun, einem einst in Wien beheimateten Geist, den Wien bespuckt und vertrieben hat und in dessen Erbschaft es sich nun mit „Wien 1900“-Ausstellungen einschleicht. Wien in diesem Kontext die Beschimpfung zu verweigern, ist nur konsequent.

Dafür kommen wir in den Genuß dreier großer Schauspieler-Leistungen, eines witzigen und traurigen, schönen, nur etwas zu langen Theaterabends ...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung